Mehr Lohn für Spitalangestellte? Stimmt häufig nicht.

Es ist eine Augenwischerei: Die Spitäler behaupten, die Löhne zu erhöhen. Dabei gleichen viele nicht einmal die Teuerung aus.

, 11. Januar 2023 um 14:39
image
Es ist es «nur» ein Streit um Worte – aber er ist wichtig: Viele Spitäler brüsten sich, ihren Angestellten die Löhne zu erhöhen. Auch Medinside vermeldete solche Lohnaufbesserungen:
  • Der Kanton Wallis gibt seinem Personal in Spitälern und Heimen zwei Prozent mehr Lohn.
  • Das Luzerner Kantonsspital und die Luzerner Psychiatrie haben sich mit den Personalverbänden auf 2,2 Prozent mehr Lohn geeinigt.
  • Zürcher Spitäler erhöhen die Löhne.

Keine reale Lohnerhöhung

Eine Lohnerhöhung für alle Angestellten gab es aber weder im Wallis noch in Luzern noch in Zürich. Die erwähnten Spitäler erhöhten zwar die Lohnbeträge, also die so genannten Nominallöhne. Aber der Wert dieser Löhne, die so genannten Reallöhne, sind gesunken. Und das ist eigentlich das, was zählt. Denn wenn der Lohn die Teuerung nicht ausgleicht, können sich die Angestellten weniger leisten.

Unter 2,8 Prozent: Eine Lohnsenkung

Die Teuerung betrug letztes Jahr in der Schweiz 2,8 Prozent. Das bedeutet: Wer weniger als 2,8 Prozent mehr Lohn erhält, hat dieses Jahr effektiv einen geringeren Lohn als im Vorjahr.

Oft nicht einmal Teuerungsausgleich

Viele Spitäler und Heime betreiben also Schönfärberei, wenn sie behaupten, dass sie die Löhne erhöhen. Viele schreiben auch von einem «Teuerungsausgleich». Doch wenn dieser Ausgleich weniger als 2,8 Prozent beträgt, handelt es sich nicht um einen Ausgleich.

Berner stellten klar

Nicht alle Berufsverbände und Gewerkschaften wagen es, die Sachlage klarzustellen. Eine Ausnahme ist etwa die Berner Sektion des Schweizer Berufsverbandes des Pflegefachpersonals (SBK). Sie sprach Klartext und kritisierte: «Der Kanton will nächstes Jahr nur zwei Prozent mehr Lohn zahlen. Bei einer Teuerung von drei Prozent kommt das einer Lohnsenkung gleich.»

Zürich kritisierte

In Zürich machte die Gewerkschaft VPOD und der Berufsverband der der Pflegefachfrauen ebenfalls auf den Missstand aufmerksam. Die Löhne hätten um 3,5 Prozent gehoben werden sollen, kritisierten die Vertreter der Angstellten immerhin. «Dies entspräche nämlich der Teuerung im Kanton Zürich.»

Automatischer Ausgleich gefordert

Thomas Bauer vom Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse rügte in der «Berner Zeitung», dass der Teuerungsausgleich jedes Mal eine Verhandlungssache sei. Er fordert, dass der automatische Teuerungsausgleich in den Gesamtarbeitsverträgen verankert werde.

Die echten Lohnerhöhungen

Auch wenn viele Lohnerhöhungen also nicht wirklich Erhöhungen sind, gibt es doch auch Institutionen, die ihrem Personal im neuen Jahr tatsächlich mehr zahlen. Solche Ausnahmen sind zum Beispiel:
  • Die Angestellten der Zürcher Klinik Lengg erhalten 4,4 Prozent mehr Lohn als Ausgleich der Teuerung.
  • Das See-Spitals in Horgen gewährt sogar 6 Prozent mehr Lohn.
  • Das Zürcher Kinderspital gewährt bei den Löhnen immerhin einen Teuerungsausgleich von 3,5 Prozent.

In der Pharmabranche lässt sich kräftig verdienen

Nicht überall in der Gesundheitsbranche wird das Personal bei den Löhnen knappgehalten. Die Pharmabranche kann es sich leisten, grosszügig zu sein. So steht das Apotheken-Unternehmen Galenica gleich nach der Uhrenfirma Swatch im Kanton Bern an zweiter Stelle bei den Lohnerhöhungen. 3,1 Prozent mehr erhalten die Galenica-Angestellten, fürs Apothekenpersonal gibt es sogar einen zusätzlichen Aufschlag.

  • arbeitswelt
  • lohn
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Das wahre Leben reflektieren»

Gesundheitsdaten sind entscheidend bei der Auswahl und Begleitung einer Therapie. Gerade bei seltenen neurologischen Krankheiten ist die Erhebung und Interpretation dieser Daten aber mit einigen Herausforderungen verbunden. Zentral ist daher die Frage: Was ist Sinn & Zweck der Datensammlung?

image

Gendern in Job-Anzeigen spaltet Meinungen

Eine Umfrage zeigt Uneinigkeit über geschlechtsneutrale Formulierungen in Stellenanzeigen. Ein Ergebnis ist besonders bemerkenswert.

image

Demenz: Erste schweizweite Online-Plattform

Die Organisation Alzheimer Schweiz informiert Betroffene und Fachpersonen neu mit einer zentralen Anlaufstelle über demenzspezifische Angebote.

image

Optimierte Prozesse, zufriedene Mitarbeitende

Das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel hat ein für zahnmedizinische Kliniken neues Kapazitätsmanagementsystem eingeführt und konnte damit bereits im ersten Jahr Erfolge erzielen. Die Sachkosten wurden um 0.6 Prozent reduziert und die Patientenzahlen um 3 Prozent erhöht.

image

Maskenverweigerung: Psychologin zu Recht fristlos entlassen

Das Bundesgericht bestätigt die sofortige Kündigung einer Betriebspsychologin der Stadt Zürich. Mit ihrer Masken-Verweigerungshaltung habe sie ihre Pflichten verletzt.

image

Psychische Erkrankung eines Rettungssanitäters als berufsbedingt angesehen

Eine posttraumatische Belastungsstörung kann grundsätzlich als Berufskrankheit anerkannt werden. Dies hat das Bundessozialgericht in Deutschland entschieden.

Vom gleichen Autor

image

Urologie: 44 Spitäler wollten – diese 27 dürfen

In der Hochspezialisierten Medizin (HSM) wurden neue Leistungsaufträge vergeben – diesmal für zwei komplizierte Urologie-Operationen.

image

Nun steigt der Bestsmile-Gründer auch bei der Fortpflanzung ein

Ertan Wittwer hat schon viele Praxisketten gegründet. Seine neuste Idee: ein Unternehmen, das Fortpflanzungsmedizin anbietet.

image

Schweizer Ärzte haben zu wenig Zeit und fühlen sich überlastet

Der Personalmangel im Gesundheitswesen habe schwere Folgen, finden die Ärzte. Sie sorgen sich um die Patienten – und um die eigene Gesundheit.