Als Medical Gaslighting wird bezeichnet, wenn medizinische Fachkräfte Patientinnen und Patienten mit tatsächlichen Symptomen nicht ernst nehmen und diese als Einbildung, Übertreibung oder psychisches Problem abtun. Ein
Film der ARD-Mediathek zeigt solche Fälle:
- Eine Patientin hatte nach der Geburt starke Rückenschmerzen. Im Spital sagte man ihr, das sei normal nach einer Schwangerschaft – obwohl sie nach der Geburt mit dem Rollstuhl nach Hause musste. Als sie einen Orthopäden konsultierte empfahl dieser, sie solle die Zähne zusammenbeissen und halt im Liegen statt im Sitzen stillen. Erst nach vielen Monaten, in denen sie ihr Kind nicht richtig betreuen konnte, stellte sich heraus, dass die junge Mutter unter Schwangerschafts-Osteoporose litt und nach der Geburt vier Wirbel gebrochen hatte.
- Eine weitere Patientin wurde trotz jahrelanger starker Schmerzen nicht ernst genommen. Es dauerte zehn Jahre, bis die Ärzte eine Endometriose diagnostizierten und behandelten.
Von Medical Gaslighting sind laut Studien vor allem Frauen betroffen. Sie müssen oft länger als Männer auf eine richtige Diagnose warten, und ihre Symptome werden öfter auf die Psyche abgeschoben.
«Medizin ist männlich orientiert»
Die Gynäkologin und Professorin Mandy Mangler vom Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin kämpft für ein Umdenken in der Ärzteschaft. Sie sagt: «Die Medizin ist sehr männlich orientiert und wir können die Sprache, die Männer für ihre Symptome brauchen, besser verstehen, weil wir sie lange geübt haben.»
Frauen würden ihre Symptome oft in anderer Weise beschreiben – «vielleicht etwas ausführlicher, vielleicht mehr auf den ganzen Körper bezogen.» Es falle uns schwerer, das zu verstehen. Manglers Fazit: «Es braucht mehr Aufmerksamkeit darauf, wie Frauen ihre Symptome beschreiben.»
Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld, sagt: Ein Grund für Medical Gaslighting sei das oft sehr hierarchischen Arzt-Patientenverhältnis. Dazu passt, dass Patientinnen oftmals das Machtverhältnis zwischen ihnen und ihrem Arzt kritisieren.
Sabine Oertelt-Prigione betont jedoch: Nicht nur die Ärztinnen und Ärzte seien Fachpersonen. «Auch Patientinnen und Patienten sind Experten für ihre eigenen Erkrankung. Das müssten die Ärztinnen und Ärzte mehr einbeziehen.»
Patientinnen und Patienten würden sich bei einer Arztkonsultation in eine sehr sensible Situation begeben. Umso wichtiger sei eine Vertrauensbeziehungen statt einem hierarchischen Verhältnis.
Die Professorin empfiehlt, dass sich medizinische Fachkräfte immer wieder bewusst werden, wie sie ihre Patientinnen wahrnehmen und sich zum Beispiel fragen: Warum glaube ich einer Patientin mit bestimmten Schmerzen zuerst einmal nicht? Warum denke ich, dass es nicht ernst genug ist? Woher kommt das? Was muss ich machen, um das zu vermeiden? Und wie kann ich mit der Patientin umgehen?
«Medical Gaslighting - Wenn Frauen beim Arzt nicht ernst genommen werden»
Das bedeutet Gaslighting
Jemanden mit Lügen so zu manipulieren, dass das Opfer an der eigenen Zurechnungsfähigkeit zweifelt, wird Gaslighting genannt. Die Bezeichnung kommt vom britischen Theaterstück «Gas Light» aus dem Jahr 1938. Im Stück manipuliert ein Mann seine Frau, indem er die Helligkeit einer Gaslaterne im Haus dauernd verändert und dann leugnet, dass etwas passiert. Dadurch verunsichert der Ehemann seine Frau so stark, dass sie an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifelt und denkt, sie verliere den Verstand.