Fall Maisano: Die Spitalleitung kommt nicht gut weg

Eine Untersuchungskommission kritisiert den Spitalrat des Zürcher Unispitals (USZ). Im Fall des ehemaligen Klinikdirektors der Herzchirurgie sei einiges schief gelaufen.

, 4. März 2021 um 13:10
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Über mehrere Monate hinweg stand der Name Francesco Maisano immer wieder gross auf allen Titelseiten. Der Leiter der Herzchirurgie des Zürcher Unispitals (USZ) wurde mit Vorwürfen nur so eingedeckt. Mehrere hundert Artikel sind über den Klinikdirektor erschienen. Die grosse Mehrheit der Vorwürfe haben sich inzwischen aber in der Luft aufgelöst oder sich als haltlos erwiesen.
Bereits im Sommer 2020 wurde eine Subkommission der Oberaufsicht Bildung und Gesundheit des Zürcher Kantonsrates einberufen. Das Ziel: die aufsichtsrechtliche und politische Aufarbeitung der Vorkommnisse am USZ – inklusive Dutzende Empfehlungen, um organisatorische und strukturelle Mängel zu beheben. Nun liegt der über 70 Seiten umfassende Schlussbericht vor (siehe unten). Dabei kommt die Leitung des Unispitals nicht gut weg, vor allem der Spitalrat als das oberste strategische Gremium.  

Vertrauliche Dokumente weitergeleitet

Die Aufsichtskommission des Zürcher Kantonsrats hält sich nicht mit Kritik zurück: Erwähnt werden etwa «die vielen Indiskretionen und Verletzungen der Vertraulichkeit». Viele Entscheide der Spitalleitung oder Vorkommnisse hätten die Betroffenen erst aus den Medien erfahren.
Zum Beispiel, so die Verfasser, berichtete der «Tages-Anzeiger» unmittelbar nach dem Entscheid, dass Maisano im Amt eingestellt wurde. Gleichzeitig lieferte die Zeitung die Begründung des Spitalrats, die aus einem «internen vertraulichen Zirkularbeschluss» der Spitalleitung stammte.
Der Tagi berichtet auch erstmals, dass das Unispital Anzeige gegen Francesco Maisano eingereicht habe. Der damals immer noch offiziell angestellte Klinikchef habe dies ebenfalls aus den Medien erfahren müssen, steht im Bericht zu lesen. Die Strafuntersuchung wurde inzwischen übrigens von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt.

Mehrere Quellen als Nachweis 

Generell wird im Papier die «mediale Hetzjagd» und die fehlende Ausgewogenheit der Berichterstattung hinterfragt. Zum Beispiel die Frage nach dem öffentlichen Interesse und dem Schutz der Persönlichkeit. So hält die Subkommission das Ausmass der Vorverurteilung des Klinikdirektors für «unstatthaft», während die für den «Hinweisgeber» konstruierte Opferrolle auf Grund der vorliegenden Tatsachen «nicht nachvollziehbar» sei. 
Die Parlamentarier stützen sich im Bericht auf aktuelle oder ehemalige USZ-Mitarbeitende; einige davon belegten heute hohe Positionen in anderen Spitälern, heisst es. Man habe keine Anzeichen gefunden, die an den berichteten Erlebnissen der Betroffenen zweifeln lassen. Als weitere Quellen dienten Gespräche mit Personen aus Führungsgremien, Akten und Protokolle von Sitzungen sowie ein Besuch der Kliniken Herzchirurgie und Kardiologie.

Präsident wollte Bericht veröffentlichen

Kritisch würdigt die Aufsichtskommission unter der Leitung von Arianne Moser auch die Veröffentlichung des vorläufigen Berichts zur Untersuchung gegen den Klinikdirektor, ohne rechtliches Gehör und bevor seine Stellungnahme überhaupt vorlag. Die Erklärungen zu den einzelnen Vorwürfen im «Walder-Wyss-Bericht» wurde vom Spitalrat und der Spitaldirektion bislang nie veröffentlicht. 
Der Entscheid zur Veröffentlichung des – für Maisano zwar entlastenden, aber zum Teil lückenhaften – Berichts der Anwaltskanzlei wurde dabei durch den Spitalratspräsidenten Martin Waser gefällt, wie im Bericht weiter zu lesen steht. Dieser hat inzwischen seinen Rücktritt bekannt gegeben, gemeinsam mit Vize-Präsident Urs Lauffer und einem weiteren Mitglied des obersten Spitalgremiums.

Fehlender Schutz durch Arbeitgeber

Mit der Veröffentlichung des Walder-Wyss-Dokuments wurden laut Untersuchungsbericht die Interessen des USZ vermeintlich stärker gewichtet als die persönlichen Interessen des Klinikdirektors. Doch auch Francesco Maisano darf als Angestellter während einer laufenden Untersuchung den Schutz durch seinen Arbeitgeber erwarten, wie die Aufsichtskommission klarstellt. 
Allerdings sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen, welche Ausmasse die folgende Medienkampagne nehmen würde, wird im Bericht relativiert. Es habe sich in diesem Zusammenhang aber als «sehr nachteilig» herausgestellt, dass für den Krisenfall kein Kommunikations-Konzept vorhanden war. Inzwischen haben Spitaldirektion und Spitalrat im Herbst 2020 ein solches in Kraft gesetzt.

Patientenwohl indirekt tangiert

Fazit: Der Spitalrat des Zürcher Unispitals habe die «Sprengkraft» der Vorkommnisse und ihre potentielle Aussenwirkung nicht erkannt. Die Mitglieder der Untersuchungskommission schliessen dabei nicht aus, dass «indirekt durch den medialen Druck auf das Personal das Patientenwohl tangiert wurde.» 
Es scheint, dass die strategische und operative Spitalleitung des USZ erst viel zu spät realisierte, dass sie eingreifen muss. Doch die Situation ist damals längst ausser Kontrolle geraten. Mit dem Resultat, dass nicht nur die oberste Führungsspitze die Stellung aufgibt, sondern auch Francesco Maisano und der «Hinweisgeber» das Universitätsspital verlassen mussten - und dabei enorm viel Kollateral­schaden angerichtet wurde.    

  • Bericht der Aufsichtskommission für Bildung und Gesundheit

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