Die Schweiz ist mehr denn je von ausländischen Ärzten abhängig

Der Anteil der hier berufstätigen Ärztinnen und Ärzte mit ausländischem Diplom nähert sich der Hälfte des Bestandes.

, 26. März 2025 um 14:39
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Symbolbild: Nadine Marfurt/Unsplash.
Die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz stieg von 2023 bis 2024 um 3,7 Prozent. Dies ist eine erfreuliche Nachricht für die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), die soeben ihre neuesten Statistiken veröffentlicht hat. Es kamen 1500 zusätzliche Ärztinnen und Ärzte hinzu, wodurch sich die Gesamtzahl der Praktizierenden auf 42'600 erhöhte. Diese Zahlen seien ermutigend, reichten aber noch nicht aus, um den aktuellen Mangel zu beheben, warnt die FMH.
Eine Haupterkenntnis dabei: Die Schweiz stützt sich zunehmend drastisch auf im Ausland ausgebildete Ärzte. Deren Anteil betrug 2014 noch 31 Prozent, heute liegt er bei 41 Prozent - und nähert sich damit der Hälfte des Bestandes.

Weit über dem EU-Durchschnitt

Konkret: 17'600 der 42'600 Praxis- und Spitalärzte waren im Ausland ausgebildet worden. Damit liegt die Schweiz weit über dem Durchschnitt der OECD-Mitgliedstaaten von 19 Prozent. Laut den letzten OECD Health Statistics betrug der «Ausländeranteil» in den USA rund 25 Prozent und in Deutschland nur 13,8 Prozent.
«Die Auslandsabhängigkeit ist riskant: Sobald diese Länder ihren Fachkräften bessere Bedingungen bieten oder sich unsere Rahmenbedingungen weiter verschlechtern, droht der Schweiz ein massiver Mangel», warnt die FMH in ihrer Mitteilung. Obendrein fehlten diese Ärzte im Gesundheitssystem ihrer Herkunftsländer.
Laut den Zahlen des Gesundheitsobservatoriums Obsan schwankt der jährliche Zustrom von ausländischen Ärzten in die Schweiz seit über einem Jahrzehnt zwischen 1'800 und 2'200 Personen. meisten dieser Ärzte kommen aus den Nachbarländern: Deutschland (zuletzt 49,4 Prozent), Italien (9,7 Prozent), Frankreich (7,1 Prozent) und Österreich (6,0 Prozent).
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Probleme mit der Ausbildung?

Diese Feststellung wirft zahlreiche Fragen auf, insbesondere im Bereich der medizinischen Ausbildung. Für die FMH ist die Priorität klar: «Um die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren (...), muss die Schweiz dringend in einen stärkeren Ausbau ihrer Kapazitäten in der Aus- und Weiterbildung investieren.»
Aber genügen die Mittel, um den Bedarf zu decken? Gibt es ausreichend Ausbildungsplätze? Und wie sehr ist eine Erhöhung der Ausbildungsplätze mit der Aufrechterhaltung der Qualität der medizinischen Ausbildung vereinbar?

Über die Grenzen

Von 2002 bis Ende 2024 haben rund 2200 Schweizerinnen und Schweizer ihr Medizinstudium im Ausland absolviert und liessen danach ihr Diplom hier anerkennen. Die Anerkennung eines Diploms bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass der Inhaber danach in der Schweiz als Arzt praktiziert.
Nachbarländer wie Frankreich sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Der französische Gesundheitsminister stellte jüngst alle Formen von Numerus Clausus beim Zugang zum Medizinstudium in Frage. Er plädierte dafür, die Zahl der ausgebildeten Ärzte zu erhöhen – und rief dazu auf, das Phänomen des «brain drain» nicht auf Kosten anderer Länder zu schüren.
Gleichzeitig befinden Ärzte, die aus Nicht-EU-Ländern nach Frankreich kommen, um dort zu praktizieren, häufig in einer prekären Situation: Sie arbeiten ohne offizielle Anerkennung ihres Diploms, manchmal jahrelang. Ihr unsicherer Status wirkt sich direkt auf ihre Arbeitsbedingungen und ihre Bezahlung aus, die häufig stark beeinträchtigt sind.

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