Offener Brief Nummer 2: Junge Ärzte verlieren die Geduld

Nach einem frustrierenden Treffen zum Stau beim SIWF kritisiert der VSAO die FMH-Spitze scharf. Der Verband fordert rasche Notmassnahmen – und findet, dass sonst der Bund eingreifen muss.

, 24. Oktober 2025 um 09:17
image
Ärztekammer 4. Juni 2025, Abstimmung über SIWF: Kein Fortschritt trotz klarem Auftrag  |  Bild: VSAO@Linkedin
Es ist der zweite offene Brief des VSAO innerhalb eines Monats. Angeführt von seinen Sektionen in Genf und im Waadtland, fordert der Verband der Assistenz- und Oberärzte von FMH-Präsidentin Yvonne Gilli eine Stellungnahme «zum Versagen des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF), dem Organ der FMH».
Es geht um die Verzögerungen bei der Titelerteilung durch das SIWF. Das Institut warnt inzwischen vor Wartezeiten bis zu zwölf Monaten – und eine Besserung scheint in weiter Ferne: Dies das Signal nach einem Treffen von FMH-, SIWF- und VSAO-Vertretern, das am Montag stattfand; es verlief nach Darstellung des VSAO frustrierend: «Wir hatten gehofft, dass die FMH als Dachorganisation mit ermutigenden Massnahmen und konkreten Schritten zur Lösung der Krise ihre Stärke und Mitgliedernähe beweist. Wir haben leider nichts Derartiges vernommen.»

«Debakel vor ihren Augen»

Das Weiterbildungsinstitut habe zugegeben, «dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch weit davon entfernt ist, seine internen Ressourcen auf kohärente Weise neu zu verteilen».
Dabei hatte die Ärztekammer das SIWF im Juni verpflichtet, bis Januar 2026 die Bearbeitungsdauer bei den Titelgesuchen auf maximal 90 Tage zu senken (die Weiterbildungsordnung sieht eine Frist von zwei Monaten vor).
Im Kern werfen AMIG (Genf), ASMAV (Waadt) und der Dachverband VSAO der FMH-Spitze erhebliche Führungsmängel vor. Die Ärztegesellschaft interessiere sich offenbar nicht für dieses «Debakel …, das sich vor ihren Augen abspielt». Oder aber sie sei nicht in der Lage, ihr Institut zu führen. «Wir sind traurig, dass wir solch radikale Worte verwenden müssen. Leider haben wir keinen Grund zur Annahme, dass die FMH der Krise gewachsen ist und wir auf eine baldige Lösung hoffen können.»
Das Präsidium des Ärzte-Dachverbands habe bis heute keinen Aktionsplan vorgelegt, um die Krise im SIWF zu bewältigen.
«Wir haben daher den Eindruck, dass das Präsidium der FMH den Ernst der Lage nicht wirklich erkannt hat und sich der Notwendigkeit, dieses Dossier prioritär zu behandeln, nicht bewusst ist.» — Aus dem offenen Brief des von AMIG, ASMAV und VSAO.
Was sind also die Forderungen? Laut den Assistenz- und Oberärzten soll die FMH unverzüglich «öffentliche, wirksame Notmassnahmen» ergreifen (welche, wird nicht konkretisiert). FMH-Präsidentin Gilli solle in der kommenden Woche eine Delegation des VSAO empfangen, «um unverzüglich einen Plan zur Lösung der Krise mit konkreten Massnahmen zu diskutieren und zu verhandeln.» Dieser Plan müsse dann öffentlich kommuniziert werden «um die vielen Kolleg:innen zu beruhigen, die derzeit auf ihren Facharzttitel warten».
Warnend heisst es im Schreiben, dass «ein Eingreifen der staatlichen Aufsichtsbehörden unumgänglich» werde, wenn sich die Lage nicht bald bessert. Ohne Hinweise, dass die FMH die Krise rasch bewältigen kann, «sehen wir keine andere Möglichkeit, als weitere Massnahmen zu ergreifen, um auf die mögliche Unfähigkeit der FMH und ihres Tochterinstituts, des SIWF, hinzuweisen, den ihnen vom Bund gemäss MedBG übertragenen öffentlichen Auftrag zu erfüllen.»
Laut dem VSAO-Schreiben haben sich auch schon viele Ärztinnen und Ärzte organisiert, «um juristische Schritte gegen das SIWF und die FMH einzuleiten.»
  • «Inakzeptable Blockade» – 150 Ärzte fordern Bund zum Handeln auf. Ein neues Ärztekollektiv kritisiert die Verzögerungen bei der Vergabe von Facharzttiteln.
  • SIWF-Krise: «Schlimmer denn je» – VSAO erhöht Druck. Die FMH soll die finanziellen Schäden mindern, die durch verschleppte Titelanträge entstehen.
  • MEBEKO und SIWF im bürokratischen Koma. Das Organisationsversagen birgt substanzielles Schadenersatzpotenzial.


  • SIWF
  • WEITERBILDUNG
  • fmh
  • vsao
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Lange Wartezeiten beim SIWF: Genfer Unispital findet Übergangslösung

Wegen dem Titelstau am SIWF schafft das HUG nun eine Übergangslösung: Wer den Antrag eingereicht hat, erhält vorübergehend Gehalts- und Vertragsbedingungen auf Titelniveau.

image

Reha-Gruppe startet Doktoratsprogramm

Die Kliniken Valens starten eine Kooperation mit der Universität in Liechtenstein: Ab sofort können ihre Fachleute berufsbegleitend zum «Dr. scient. med.» promovieren.

image

Titelstau beim SIWF: Unispital Genf zu Konzessionen bereit

Nach erfüllter Ausbildung warten die Ärztinnen und Ärzte heute viele Monate auf ihren Facharzttitel – also auch auf den entsprechenden Lohn. In Genf geht man das Dilemma jetzt an.

image

Todesfall wirft Fragen zur Zulassung ausländischer Ärzte auf

Rund 3000 Ärzte arbeiten in der Schweiz ohne offiziell anerkanntes Diplom. VSAO-Präsident Severin Baerlocher fordert im «Tagesanzeiger», den Ärztebestand vorrangig mit hier ausgebildeten Fachkräften zu sichern.

image

«Inakzeptable Blockade» – 150 Ärzte fordern Bund zum Handeln auf

Das neue Ärztekollektiv «Medizinischer Nachwuchsverband Schweiz» kritisiert Verzögerungen bei der Vergabe von Facharzttiteln und fordert das Eidgenössische Departement des Innern zum Handeln auf.

image

SIWF-Krise: «Schlimmer denn je» – VSAO erhöht Druck

Nun soll die FMH die finanziellen Schäden mindern, die durch die Verschleppung der Titelanträge entstehen.

Vom gleichen Autor

image

Telemed statt Praxis: Sanacare und Medgate arbeiten enger zusammen

Bei Termin-Engpässen greifen die Sanacare-Gruppenpraxen bald landesweit auf Medgate zurück: Die Sanacare-MPAs leiten gewisse Patienten direkt an die Telemediziner weiter.

image

Studie: Smartwatches machen Ärzte widerstandsfähiger

Wenn Mediziner im Spital ihre Gesundheitsdaten mit Wearables im Blick behalten, sinkt das Burnout-Risiko deutlich – und ihre Resilienz steigt messbar.

image

Neuer Präsident für ChiroSuisse

Mit dem Walliser Alexandre Emery gelangt erstmals ein Romand an die Spitze des Berufsverbands der Chiropraktik.