Die gute Nachricht: Eine Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz schätzt ihren Entscheidungsspielraum immer noch als hoch oder sehr hoch ein. Die Werte schwanken zwischen 70 Prozent (bei Spital- und Praxisärzten) und 82 Prozent (in der Reha).
Die Ärzteumfrage 2025 der FMH zeigt sogar, dass der persönliche Handlungsspielraum in der Psychiatrie in den letzten Jahren sogar wieder grösser wurde – nachdem die Erhebung in der Zeit davor eher tiefere Werte ergeben hatte. Auch in der Akutsomatik wird wieder ein leichter Anstieg beobachtet. Bei der Praxis-Ärzteschaft zeigt sich derweil seit rund vier Jahren ein weitgehend stabiles Bild, und in der Rehabilitation setzt sich der rückläufige Trend fort.
Eher wieder wichtiger werden die Stimmen der Patienten; deren Einfluss war laut den Einschätzungen in der FMH-Umfrage nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie gesunken. Und so sind die Patientinnen und Patienten – neben den Vorgesetzten – für die behandelnden Ärzte die wichtigsten Stimmen im Behandlungsprozess.
Bemerkenswert ist aber, wie deutlich der Einfluss der Versicherungen einerseits, der Spitalverwaltungen beziehungsweise Geschäftsführungen andererseits zugenommen hat. Vor zehn Jahren, 2015, sagten etwas mehr als 15 Prozent der Spitalärzte aus, dass Krankenkassen einen starken oder sehr starken Einfluss auf Entscheidungen über die Art und Weise der Behandlung hätten; heute liegt dieser Wert in der neuen Erhebung bei 35 Prozent. Verwaltung und Geschäftsführung erreichten 2015 noch 10 Prozent Nennungen – jetzt sagen bereits 30 Prozent der Mediziner in Akutspitälern, dass hier ein starker Einfluss besteht.
Wer hat einen starken Einfluss auf ärztliche Entscheidungen? Nennungen von Ärzten in der Akutsomatik.
«Diese Entwicklung verweist auf eine Verschiebung der Entscheidungsmacht hin zu institutionellen und ökonomischen Akteuren, die den Handlungsspielraum der Ärztinnen und Ärzte zunehmend mitbestimmen», kommentieren die Studienautoren vom Institut Gfs Bern das Resultat.
Wer hat einen starken Einfluss auf ärztliche Entscheidungen: Nennungen von Reha-Ärzten.
Der steigende Einfluss der Kassen und Management birgt Konfliktpotenzial. Denn zugleich beurteilen die Ärztinnen und Ärzte die Zusammenarbeit mit den Versicherern recht kritisch. Bloss noch 19 Prozent der befragten Spitalärzte finden diese Kooperation gut oder sehr gut; vor zehn Jahren empfand immerhin noch ein knappes Drittel (29 Prozent) so.
Und auf die Frage, ob eine «konstruktive Zusammenarbeit» mit der Spitalverwaltung besteht, antworteten 41 Prozent der Ärzte in der Akutsomatik positiv; 2015 waren es noch 51 Prozent gewesen.
Das scheint erklärbar angesichts des Spardrucks: Zwei Drittel der Ärzte in der Akutsomatik geben inzwischen an, dass sie von der Geschäftsführung klare Sparvorgaben erhalten.
Bürokratie: Seit Jahren keine Verbesserung
Kein Wunder also, dass die Bürokratisierung einmal mehr als wichtiger Kritikpunkt auftaucht (wie schon in den Jahren zuvor). Laut der neuen Erhebung wenden die Ärzte in der Akutsomatik im Schnitt knapp zwei Stunden (114 Minuten) pro Tag für Dokumentationsarbeiten auf. Bei den Assistenzärzten erreicht der Wert sogar drei Stunden (183 Minuten).
sIn der Reha sind die Zustände weniger drastisch (96 Minuten); zudem nahm die Belastung hier nicht ganz so stark zu, und auch bei den Psychiatern (121 Minuten) wuchs die Bürokratielast weniger stark als in den Akutspitälern. Tatsache ist aber, dass sich hier auch keine Verbesserung abzeichnet.
Bemerkenswert dabei: 74 Prozent der Reha-Ärzte und 87 Prozent der Praxisärzte kreuzten an, dass die Krankenversicherer den grössten administrativen Aufwand verursachen.
- Zur Erhebung: Im Auftrag der FMH führt Gfs.bern seit 2011 eine repräsentative Befragung bei der Spitalärzteschaft im akutsomatischen Bereich, in der Rehabilitation, in der Psychiatrie sowie bei praxisambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten durch. Für die Erhebung 2025 wurden 1532 Ärztinnen und Ärzte befragt, davon gut 1’000 aus dem Akutspital-Bereich.