Dauerproblem beim SIWF: «Passiert ist zu wenig»

Bürokratie statt Berufseinstieg: Beim Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung stauen sich die Titelanträge. Nun hat VSAO-Präsident Severin Baerlocher nachgefragt.

, 2. Juni 2025 um 12:58
image
Bild: Screenshot, CHUV
Der Weg zum Weiterbildungs- oder Fortbildungstitel ist für viele Ärzte ein Geduldsspiel. Schon seit Monaten warnt ein Ticker zuoberst auf der Website des zuständigen Instituts SIWF: «Die aussergewöhnlich hohe Zahl der bei uns eingehenden Titelanträge und Anfragen führt zu Verzögerungen bei der Bearbeitung der Gesuche. Derzeit beträgt die Wartezeit mindestens sechs Monate.»
Der Preis dieser Wartezeit: Frustration bei den künftigen Fachärzten, Verdienstausfälle, sogar Verzögerungen beim Antritt einer neuen Stelle.
Nun greift der Assistenz- und Oberärzte-Verband VSAO das Thema im jüngsten «VSAO-Journal» auf. Konkret stellen sich zwei SIWF-Vertreter den Fragen von Verbandspräsident Severin Baerlocher. Dabei räumen Monika Brodmann Maeder, Präsidentin des Instituts, sowie SIWF-Direktor Jörg Gröbli ein, dass Fehler passiert sind: «Uns ist bewusst, dass das SIWF in der Vergangenheit zu wenig transparent war», so Gröbli. «Oft wurde die Situation in Bezug auf die Fristen bei der Titelerteilung schöngeredet, aber passiert ist zu wenig.»
  • «Die Titelerteilung dauert zu lange – was unternimmt das SIWF?», in: «VSAO-Journal», Sonderartikel, 27. Mai 2025.
Laut SIWF-Direktor Gröbli ist der Prozess der Titelvergabe «stark reguliert und sehr komplex». Allerdings seien wohl die internen Abläufe «teilweise auch zu kompliziert».
Hinzu komme ein nicht zu unterschätzender menschlicher Faktor: Im November 2024 waren fünf der sechs Spezialisten, die für die Bearbeitung der Dossiers zuständig waren, gegangen. Der Stapel der unerledigten Anträge wuchs damit stetig an.
Seitdem wurden auch Massnahmen ergriffen: «Im April konnten wir doppelt so viele Anträge bearbeiten wie im Vormonat. Wir stellen fest, dass sich der Trend umkehrt, auch wenn wir immer noch auf einem bescheidenen Niveau sind», so Gröbli.
Anfang Mai bestand das zuständige Team aus 13 Personen, von denen drei aus der Rechtsabteilung stammten und weitere Personen zur Unterstützung für die telefonische Bearbeitung hinzukamen.
Auch die Verwaltung der E-Mail-Anfragen wurde verstärkt und neu organisiert. Wo früher nur eine Person für die Triage zuständig war, sind es jetzt sechs. So soll es nicht mehr passieren, dass überhaupt keine Antwort mehr erfolgt – beziehungsweise dass man ein bis zwei Monate darauf warten muss.

System vereinfachen

Welche Lektionen lassen sich aus den Problemen ziehen? Für SIWF-Präsidentin Monika Brodmann Maeder ist es unerlässlich, die Ausbildungsprogramme langfristig zu vereinfachen. «Wir zählen 45 eidgenössische Facharzttitel mit sehr unterschiedlichen Programmen. Der Übergang zu einer kompetenzbasierten Weiterbildung wird uns helfen, die Verfahren zu vereinheitlichen und zu verschlanken», erklärt sie.
Das SIWF setzt zudem auf digitale Hilfsmittel, insbesondere auf die Verbesserung des elektronischen Logbuchs. Dieses wird es ermöglichen, Lücken in den Unterlagen schneller zu erkennen – fehlende Dokumente, ungenügende Ausbildungsdauer et cetera.
Darüber hinaus möchte das Institut die Transparenz über die Bearbeitungszeiten und die Anzahl der monatlich vergebenen Titel erhöhen – eine Information, die von vielen Bewerbern erwartet wird.
Neben der Entlastungsstrategie weist das SIWF auch auf bewährte Praktiken hin, mit denen die Prüfung eines Dossiers beschleunigt werden kann. Monika Brodmann Maeder fordert die Kandidaten auf, besonders auf Auslandsaufenthalte, Pausen wie Mutterschaftsurlaub oder unbezahlten Urlaub sowie Teilzeitarbeit zu achten, da dies die Beurteilung erschweren könne.
Doch was tun, wenn ein Titel kurzfristig benötigt wird? fragt Severin Baerlocher, der neue Präsident des VSAO: Etwa um eine neue Stelle anzutreten?
Monika Brodmann Maeder signalisiert eine gewisse Flexibilität – allerdings betont sie sogleich «klare Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen». Konkret: «Der Antrag muss bereits seit mehr als drei Monaten hängig sein und zusätzlich eine der drei Bedingungen erfüllen: Entweder möchte die gesuchstellende Person eine Praxis eröffnen bzw. übernehmen, sie möchte ein Fellowship im Ausland antreten, für das sie den Fachtitel braucht, oder sie verliert ohne Fachtitel ihre Stelle. Selbstverständlich müssen Gesuchstellende diese Anfragen entsprechend dokumentieren.»
In der Antwort scheint auf, was betroffene Ärzte ebenfalls bemängeln am SIWF: Nämlich dass das Institut zwar seine Abläufe selber nicht im Griff hat – aber in Sachen bürokratischer Strenge wenig Entgegenkommen zeigt.
Der VSAO will seine Bemühungen um eine Verbesserung der Situation fortsetzen. Der Verband hat kürzlich mehrere Anträge bei der Ärztekammer und der Delegiertenversammlung der FMH eingereicht. Ziel ist es, die Kommunikation des SIWF zu verbessern und einen klaren Plan für den Abbau der hängigen Anträge zu erhalten.


  • SIWF
  • vsao
  • Assistenzärzte
  • fachkräftemangel
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Titelstau beim SIWF: Unispital Genf zu Konzessionen bereit

Nach erfüllter Ausbildung warten die Ärztinnen und Ärzte heute viele Monate auf ihren Facharzttitel – also auch auf den entsprechenden Lohn. In Genf geht man das Dilemma jetzt an.

image

Todesfall wirft Fragen zur Zulassung ausländischer Ärzte auf

Rund 3000 Ärzte arbeiten in der Schweiz ohne offiziell anerkanntes Diplom. VSAO-Präsident Severin Baerlocher fordert im «Tagesanzeiger», den Ärztebestand vorrangig mit hier ausgebildeten Fachkräften zu sichern.

image

«Inakzeptable Blockade» – 150 Ärzte fordern Bund zum Handeln auf

Das neue Ärztekollektiv «Medizinischer Nachwuchsverband Schweiz» kritisiert Verzögerungen bei der Vergabe von Facharzttiteln und fordert das Eidgenössische Departement des Innern zum Handeln auf.

image

SIWF-Krise: «Schlimmer denn je» – VSAO erhöht Druck

Nun soll die FMH die finanziellen Schäden mindern, die durch die Verschleppung der Titelanträge entstehen.

image

SIWF: Präsidentin Monika Brodmann tritt zurück

Nach fast fünf Jahren an der Spitze legt Monika Brodmann Maeder ihr Amt nieder. Sie verweist auf strukturelle Hürden – grundlegende Änderungen seien derzeit nicht realisierbar.

image

Tessiner Spitalverbund EOC gewinnt Spitalrose 2024

Für sein Engagement zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei schwangeren Ärztinnen erhält der Tessiner Spitalverbund die Auszeichnung des VSAO.

Vom gleichen Autor

image

Reorganisation bei Swiss Medical Network

Genf und das Waadtland werden in der Region «Arc Lémanique» zusammengefasst, geleitet von Stanley Hautdidier. In der Geschäftsleitung kommt es zu mehreren Veränderungen.

image

Ensemble Hospitalier de la Côte: Neue Leiterin Chirurgie

Nach Stationen am CHUV und HUG kehrt Valentine Luzuy-Guarnero zum Waadtländer Gesundheitsnetzwerk EHC zurück.

image

Medizinstudierende wählen nach Fachattraktivität

Nicht Geld oder Lifestyle entscheiden – sondern die Faszination fürs Fach: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Medizinstudierende ihre Berufswahl vor allem nach der Attraktivität des Fachgebiets treffen.