Wie aussagekräftig ist eine Facharztprüfung, was besagt sie über die Qualität der Geprüften? Und wie solide werden Ärzte in den USA beurteilt? Eine Studie zu diesem Thema – die bald schon ein Jahr alt ist – dient jetzt auch in der Debatte um die Arzt-Examina in der Schweiz. Denn drei Vertreter der Mediziner-Gesellschaft SGAIM präsentierten die Untersuchung aus dem JAMA nun in der «Neuen Zürcher Zeitung». Der Titel des Artikels:
«Ergebnisse der Facharztexamen von Ärzten sind aussagekräftiger als Arbeitszeugnisse».
Worum geht es? SGAIM-Examenskommissions-Präsident Hansjürg Beer, Präsident Drahomir Aujesky sowie Ulrich Stoller, ehemals Präsident der Examenskommission, griffen eine US-Studie auf, welche die klinische Relevanz von Fachprüfungs-Ergebnissen testete. Dabei wurden Daten zu 6'900 frisch ausgebildeten Spitalärzten analysiert, die von 2017 bis 2019 bei gut 455'000 stationären Patienten behandelnd tätig waren.
Dabei zeigte sich einerseits, dass die Beurteilung der Ärzte durch Vorgesetzte – die so genannten «Milestone-Ratings» – keine signifikante Korrelation mit der Sterblichkeit oder den Wiederaufnahmeraten der Patienten hatten.
Anders war das Bild mit Blick auf die Facharzt-Prüfung: Bei jenen Ärzten, die dort unter den Besten waren, lag auch die 7-Tage-Mortalität signifikant tiefer, nämlich um 8 Prozent. Und die Quote der Wiedereintritte war hier um gut 9 Prozent geringer. Ebenfalls besser fielen die Werte bei der 30-Tage-Sterblichkeit aus (-3,5 Prozent).
Wer gut ist, fragt nach
Die Analyse, erarbeitet von Forschern aus Philadelphia und Boston, gab einen weiteren Qualitäts-Hinweis: Ärzte mit besseren Resultaten bei der Facharzt-Prüfung konsultierten ihrerseits häufiger Spezialisten; sie können womöglich also besser einschätzen, ob und wann zusätzliche Expertise nötig ist.
Klar wurde jedenfalls, dass die beiden Bewertungsmethoden eine recht unterschiedliche Aussagekraft haben. Wer bei den «Milestone-Ratings» tief bewertet wurde, erhielt trotzdem keine schlechten Ergebnisse bei der Facharztprüfung – so war es in zwei Drittel der beobachteten Fälle.
Die Untersuchung legt nahe, dass die ABIM-Facharztprüfung ein besserer Indikator für die Qualität der Patientenversorgung sein dürfte als das Arbeitszeugnis. Eine stärkere Integration standardisierter Prüfungen in die Kompetenzbewertung von Assistenzärzten könnte die Aussagekraft dieser Bewertungen verbessern, so ein Fazit der Autorinnen und Autoren.
Auf die Schweiz übertragbar
«Wegen der Ähnlichkeit der validierten Fragen von Schweizer Experten und der aus dem amerikanischen Prüfungs-Pool ausgewählten MC-Fragen für unser Examen sind die Resultate der amerikanischen Studie gut auf die Schweiz übertragbar», schreiben nun Hansjürg Beer, Drahomir Aujesky und Ulrich Stoller in ihrem NZZ-Beitrag.
Fairerweise fügen sie allerdings auch an, dass die US-Studie viele Qualitätsaspekte der ärztlichen Arbeit auslässt; zum Beispiel «die begleitenden Massnahmen am Krankenbett, auf die nicht verzichtet werden kann – die Empathie, die Kommunikation und die Interaktion mit den Patienten und Angehörigen, die klinische Geschicklichkeit, die Selbständigkeit, die sichere Durchführung von Interventionen, die Begleitung in komplexen Situationen vom Erstgespräch bis zur Palliation am Lebensende usw. Dafür ist das obligatorische mehrjährige Curriculum an den Kliniken, Instituten und Lehrpraxen verantwortlich.»