«Datengrundlage der Pauschaltarife ist eine Farce»

Erneut wehren sich die Spezialärzte gegen «praxisuntaugliche» ambulante Pauschalen. Sie würden auf fehlerhaften Daten basieren.

, 11. September 2024 um 07:59
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Unter anderem ist auch der Dachverband der Chirurgen gegen die geplanten ambulanten Pauschalen. | Philippe Spitalier auf Unsplash
In einem Offenen Brief wenden sich 29 Fachgesellschaften gegen die geplanten Pauschaltarife bei ambulanten Behandlungen. Sie seien praxisuntauglich und würden auf falschen Daten beruhen.
Die Allianz erhebt vor allem den Vorwurf, dass die Ärzte und Ärztinnen bei der Tarifgestaltung zu wenig angehört worden seien:
  • In der nun vorliegenden Pauschalen-Version habe man «sachdienliche und konstruktive Inputs der Ärzteschaft ignoriert». Entstanden seien deshalb «praxisuntaugliche Spitalpauschalen, die eine realistische Wiedergabe der Kosten einer ambulant erbrachten Leistung in keiner Weise ermöglichen».
  • Deshalb würden die Kosten künftig nicht mehr gedeckt sein. Ärztinnen und Ärzte könnten ihre Patienten nicht mehr nach den bisher gültigen Regeln der Medizin behandeln und unter Umständen gewisse Leistungen nicht mehr anbieten.
  • Die Datengrundlage sei «eine Farce». Das Bundesamt für Gesundheit habe gravierende Erhebungsfehler entdeckt. So seien die Daten höchst einseitig in einem kleinen Bruchteil der Spitäler erhoben worden. Daten aus den Facharztpraxen würden fehlen. Doch diese Einwände seien nicht berücksichtigt worden.

«Sammelsurium»

Ein Hauptproblem liegt darin, dass die Pauschalen zusammenwerfen, was nicht zusammengehört – so die Darstellung des Schreibens, das von FMCH-Präsident Michele Genoni unterzeichnet ist und das unter anderem von Belegarzt-, Angiologen-, Urologen-, Gynäkologie- und Radiologie-Verbänden gestützt wird.
Beispiel Eingriffe am Hals: Hier finde sich im gleichen Tarifpunkt ein «Sammelsurium an Eingriffen von medianen Halszysten bis zur einfachen Wundversorgung, welche nie in einer Pauschale zusammengefasst werden können». Ähnliches gelte bei Verbrennungen: «Auch dies ist ein sehr heterogenes Gebiet». Alles falle in dieselbe Pauschale, «von einer Fingerbeere, welche in die Geburtstagstorten-Kerze gehalten wurde, bis zu einer Verbrühung der ganzen Brust.» Es sei «schlicht unmöglich, dies alles in einer einzigen Pauschale abzubilden», befinden die 29 Fachgesellschaften.

Bundesrat soll nachbessern

Die neuen ambulanten Pauschalen seien eine existenzielle Bedrohung für unser Gesundheitssystem, fasst die «Allianz für sachgerechte und praxistaugliche Pauschalen» ihre Einwände zusammen. Sie fordert den Bundesrat dazu auf, die notwendigen Änderungen vorzunehmen und die ärztliche Expertise in die Tarifgestaltung mit einzubeziehen.
Die Ärzte wehren sich schon eine Weile gegen die ambulanten Pauschalen. Ende letztes Jahr teilten 26 Fachgesellschaften mit, dass sie das Tarifsysstem ablehnen.
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