Paracelsus: Akten standen teilweise unter Gülle

Die angeblich verschwundenen Patientendossiers im Paracelsus-Spital sind zum Vorschein gekommen. Einige davon mussten gefriergetrocknet werden.

, 27. Juni 2021 um 22:00
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«Wir haben die Akten keineswegs verschlampt; sie sind alle in einem Archiv organisiert.» Dies sagte Paracelsus-Chef Jürgen Robe hier gegenüber Medinside. Der damalige CEO der Spitalbetreiberin NSN Medical mit Sitz in Meggen wehrte sich damit gegen den in der Kassensturz-Sendung vom 20. April 2021 erhobenen Vorwurf, wonach Patientenaktien des konkursiten Paracelsus-Spitals in Richterswil unauffindbar seien.

Nur die halbe Wahrheit

Doch Jürgen Robe erzählt nur die halbe Wahrheit, wie Recherchen von Medinside zeigen. Die Aussage, alle Akten seien in einem Archiv organisiert, ist im besten Fall schönfärberisch. Ein Teil der Akten liegt bei der Firma Docusave in Uetendorf. Das ist ein Unternehmen, das sich seit über 20 Jahren mit Wasser- und Brandschäden an Papier, Leder und Pergament beschäftigt.
Der Grund, weshalb ein Teil der Patientenakten im Nachbarsdorf von Thun liegt, ist einem Wasserschaden geschuldet. Denn das Paracelsus-Spital hatte aus Platzgründen einen Teil des Archivs in einem Gebäude in Wollerau untergebracht.

Archiv stand unter schmutzigem Wasser

Nach einem heftigen Unwetter geriet ein Teil der Akten unter Wasser, man könnte auch sagen unter Gülle. Denn das Gebäude mit dem Archiv grenzt an die Landwirtschaftszone. Es soll ziemlich penetrant gestunken haben. Damit sich die Akten nicht zersetzen, mussten sie umgehend gefriergetrocknet werden. Dafür braucht es Spezialisten – zum Beispiel eben die Firma Docusave in Uetendorf.
Um die Akten auf Wunsch der Patientinnen und Patienten wieder lesbar zu machen, müssen sie nun Seite für Seite dekontaminiert werden, was zusätzlich Kosten verursacht.

Van Düren ersetzt Robe

Das ist aber nur das eine Problem, weshalb die Aktien kaum oder nur schwer zu finden sind. Das andere Problem ist ein technisches. Jennifer M.K. van Düren ist die neue CEO der Spitalbetreiberin NSN Medical und damit Nachfolgerin von Jürgen Robe. Sie erklärt auf Anfrage, dass die Patientenidentifikationsnummern im Rahmen der Digitalisierung und beim Übergang im Konkursverfahren umgestellt wurden.
Patientenakten dürfen aus Datenschutzgründen nicht nach Namen abgelegt werden. Das führt dazu, dass ältere Patientendaten zeitweise nicht mehr zugeordnet werden konnten. Nach Angaben von Jennifer van Düren konnte dieses Problem inzwischen weitgehend gelöst werden. NSN Medical arbeite diesbezüglich eng mit der Konkursverwaltung zusammen. 
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