Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

, 25. August 2025 um 13:11
letzte Aktualisierung: 8. Oktober 2025 um 08:01
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KI-Symbolbild: Medinside (mit Midjourney)
Kaum eine Finanzzahl wird im Schweizer Spitalbereich so oft heruntergebetet wie diese: 10 Prozent – so hoch soll die Ebitda-Marge eines Akutspitals sein. Denn nur so kann es sich nachhaltig refinanzieren.
Die Prozentzahl wurde 2011 von der Beratungsfirma PwC als Richtwert eingeführt. Längst hat sie sich in vielen Köpfen und Geschäftsleitungen festgesetzt, inzwischen ist sie in zahlreichen Eigner- und Unternehmensstrategien festgeschrieben.
Bemerkenswert sind darum einige Sätze, die sich in einer neuen Spital-Studie derselben PwC finden: «Aufgrund von laufenden Bauprojekten sowie anstehenden Investitionen in die digitale Transformation dürfte sich die EBITDAR-Zielmarge künftig weiter erhöhen», steht da. «Dies liegt darin begründet, dass höhere Anlagebestände und relativ geringe Abschreibungsdauern durch Digitalisierungsvorhaben einen Anstieg der Abschreibungen implizieren.»
Und weiter: «Entsprechend müssen in diesem Zusammenhang Einsparungen bei den Betriebskosten realisiert werden, um künftig keine negativen Jahresergebnisse zu erzielen.»
  • PwC / Patrick Schwendener, Philip Sommer: «Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2024», August 2025.
Mit anderen Worten: Viele Spitäler haben aufwändigere Gebäude als noch vor 15 Jahren; die Geräte müssen rascher ausgetauscht werden; und die Digitalisierung verursacht stetig höhere Kosten. Daher genügt eine Rendite von 10 Prozent nicht, um all diese Anlagen zuverlässig zu erneuern und zu ersetzen.
Die 10-Prozent-Marge war für die meisten Spitäler ohnehin unerreichbar, seit die neue Spitalfinanzierung 2012 eingeführt wurde. Und nun könnte diese Marge gar zu knapp bemessen sein.
Im Übrigen sind die Grundaussagen der neuen PwC-Spitalstudie in etwa bekannt:
  • Die Rentabilität der Spitäler hat sich 2024 etwas verbessert – PwC kommt beispielsweise auf eine durchschnittliche Ebitdar-Marge von 4,5 Prozent.
  • Die Umsätze stiegen gegenüber dem Vorjahr um 4,1 Prozent. Bemerkenswert war dabei, dass die stationären Erträge sich speziell dynamisch entwickelten; hier verdoppelte sich das Wachstum gegenüber 2023 – trotz der politisch gewünschten Ambulantisierung des Gesundheitswesens.
  • Immerhin: Der Anteil des ambulanten Bereichs an den gesamten Patientenerlösen der Akutspitäler kletterte von 35,1 Prozent im Vorjahr auf 35,4 Prozent im Jahr 2024 – also zumindest ein bisschen.
  • Interessant ferner, dass die von PwC bei 44 Spitälern erfassten Tarife für einmal stiegen – der Medianwert lag bei einem Plus von 2,2 Prozent.
  • Damit konnte aber die Teuerung der Vorjahre bei weitem nicht aufgeholt werden: PwC veranschlagt die Lücke zwischen Inflation und Tarifentwicklung für die letzten fünf Jahre bei 5 Prozentpunkten.
Die PwC-Autoren erklären die leichte Erholung 2024 zudem damit, dass die Häuser insgesamt etwas produktiver wurden. Allerdings sei diese Entwicklung zu bescheiden: «Mit einer Produktivitätssteigerung von nur 0,3% in 2024 sollten Schweizer Spitäler dringend mehr in Innovation, digitale Transformation und Profilierung investieren, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern», heisst es in der Spitalstudie. Denn da wiederholte Tarifanpassungen kaum möglich sein dürften, müssten die Spitäler stetig und entschlossen effizienter werden, um besagte 10-Prozent-Hürde zu schaffen.

Wer muss jetzt umdenken?

«Für Schweizer Spitäler und Psychiatrien führt kein Weg mehr an einer grundlegenden Transformation von Versorgungsstrukturen, Innovationen und richtungsweisenden Technologien vorbei», schreiben Patrick Schwendener und Philip Sommer in ihrem PwC-Bericht.
Aber ist das überhaupt denkbar? Drei Viertel der Schweizer Spitäler hatten letztes Jahr eine Ebitda-Marge unter 7,3 Prozent. Dies besagt eine andere Auswertung, durchgeführt vom Verein Spitalbenchmark; sie erfasste 90 Prozent der Schweizer Spitäler. Der Verein kam auf einen Durchschnittswert von 4 Prozent.
«Nach wie vor können die Spitäler und Kliniken unter den bestehenden Rahmenbedingungen schlicht nicht wirtschaftlich nachhaltig arbeiten», kommentiert dies Anne-Geneviève Bütikofer, der Direktorin des Spitalverbands H+.
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Die Ebitda-Margen von 154 einzelnen Spitälern (blau) / Median (rot)  |  Grafik: Verein Spitalbenchmark
Im Gegensatz zu den PwC-Beratern betonen die Spitäler, dass das fundamentale Problem ohne Tariferhöhungen nicht zu bewältigen ist. Und sie verweisen insbesondere auf den ambulanten Bereich: «Dort decken die aktuellen Tarife die realen Kosten nicht annähernd, es besteht eine Unterdeckung von 20 bis 25 Prozent. Für die Spitäler besteht somit schlicht kein wirtschaftlicher Anreiz, die sinnvolle und von EFAS erhoffte Verlagerung in den ambulanten Sektor voranzutreiben.»
H+ fordert daher grundsätzliches Umdenken und konkret eine sofortige Tariferhöhung um mindestens 5 Prozent – «damit die Unterfinanzierung und die Folgen der Teuerung zumindest teilweise aufgefangen werden können.» In Zukunft müssten die Tarife zudem jeweils automatisch an die Teuerung angepasst werden: «Nur so haben die Spitäler und Kliniken die Möglichkeit, in Technologien, Infrastruktur und Personal zu investieren und die Ambulantisierung voranzutreiben.»


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