Sparprogramme reichen nicht: Das Spitaljahr im Check

Kooperationen, weniger Angebote, effizientere Abläufe, Schliessungen, Nullrunden bei den Löhnen: Die öffentlichen Akutspitäler haben viel getan, um die Finanznot zu bekämpfen. Fazit: So geht es trotzdem nicht weiter.

, 11. August 2025 um 00:07
letzte Aktualisierung: 15. Oktober 2025 um 17:14
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Bild: Ilya Chunin / Unsplash
Ein Jahr kann in der Spitallandschaft eine kleine Ewigkeit sein. Noch 2023 schien die Lage zappenduster: Die Geschäftsberichte vieler Schweizer Spitäler waren ein Dokument wirtschaftlicher Not – tiefrote Zahlen, strukturelle Defizite, steigende Kosten, Alarmstimmung.
Inzwischen liegen die Geschäftsberichte zum Jahr 2024 vor: Zeit also für eine neue Analyse.
Und dabei wirkt das Bild durchaus freundlicher. Viele Akutspitäler meldeten wieder schwarze Zahlen, die Bilanzen sind nicht mehr ganz so düster, die Margen etwas erholt.
Doch der Schein trügt. Denn ein grundlegender Systemwandel ist nicht in Sicht – und die strukturelle Unterfinanzierung bleibt das Damoklesschwert über der Branche.
Medinside hat die Zahlen von 45 bedeutenden öffentlichen Akutspitälern und Spitalgruppen ausgewertet. Das zentrale Ergebnis: Die durchschnittliche Ebitda-Marge lag 2024 bei 4,3 Prozent – ein kleiner Fortschritt gegenüber den 3,2 Prozent im Vorjahr, aber weiterhin weit entfernt vom erforderlichen Zielwert.
Das entspricht auch der jüngst veröffentlichen Erhebung des Vereins Spitalbenchmark: Danach lag die Ebitda-Durchschnittsmarge 2024 bei 4,0 Prozent nach 3,1 Prozent im Vorjahr. Drei Viertel der 154 hier erfassten Spitäler hatten eine Marge unter 7,3 Prozent.
Spital-CFO und Gesundheitsökonomen gehen bekanntlich davon aus, dass eine nachhaltige Finanzierung erst ab einer Marge von 8 bis 10 Prozent gegeben wäre. Diesen Durchschnittswert erreichte die Branche seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung 2012 nie. Inzwischen ist er nicht einmal in Sichtweite.
Und dies, obwohl es in den vergangenen 18 Monaten einen Reigen an Restrukturierungen, Kooperationen, Abteilungszusammenlegungen, Schliessungen, Verlagerungen, Sparprogrammen und organisatorischen Optimierungen gab. Reihenweise schlugen die Häuser neue Wege ein, um günstiger zu werden; womit sie vor allem bewiesen, dass Fitness-Programme nicht genügen.
Zusammengefasst: Die Fallpauschalen finanzieren den Spitalbetrieb – aber niemals die Spitalinfrastruktur.

Rückschlag kann nicht aufgeholt werden

Das akute Problem wird in den Jahresbüchern 2024 gut greifbar: Zwar ermöglichten höhere Fallzahlen (vor allem im ambulanten Bereich) leichte Umsatzsteigerungen von 3 bis 4 Prozent. Auf der anderen Seite stiegen die Personalkosten in Grössenordnungen von 6 bis 8 Prozent. Sodass der massive Rückschlag, der mit dem Inflationsschub von 2022 eingesetzt hatte, einfach nicht aufgeholt werden konnte.
Dass es sich nicht um eine vorübergehende Schieflage handelt, zeigen weitere Kennzahlen. Die Spitäler sind tendenziell hoch verschuldet (die Zürcher Kantonalbank hat errechnet, dass Anleihen im Umfang über 3 Milliarden Franken ausstehen), ihr Kapitalbedarf für Investitionen ist hoch (die ZKB schätzt ihn auf 1,1 Milliarden Franken pro Jahr). Die Beratungsfirma PwC errechnete vor gut einem Jahr, dass Gemeinden und Kantone in dieser Phase über 1 Milliarde Franken pro Jahr aufwerfen müssen, um ihre Spitäler im jetzigen Zustand zu bewahren.

Stabilität durch Grösse

Es fehlt nicht an Beispielen für diese Normalität: Die Stützungs-Beiträge für das Kinderspital Zürich; der Rettungsschirm im Kanton Bern; die (diskutierten) Gemeinde-Hilfen für Spitäler in Samedan und Wetzikon; à-fonds-perdu-Beiträge im Bündnerland; die öffentlichen Garantien für USZ oder Spital Männedorf. Und auch die landauf, landab steigenden Abgaben für gemeinwirtschaftliche Leistungen.
Was tun? In den Direktionsetagen vieler Spitäler setzt man auf Digitalisierung, Automatisierung und KI, um dereinst Prozesse effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Noch sind die Effekte bescheiden – doch die Erwartung bleibt, dass sich hier in den kommenden Jahren Potenziale heben lassen.
Parallel dazu prüfen viele Häuser neue Betriebskonzepte: mehr ambulante Versorgung, Konzentration auf rentable Kernleistungen, schrittweise Aufgabe verlustträchtiger Angebote wie der Geburtshilfe. Auch strategische Zusammenschlüsse bleiben ein Thema – die kürzlich angekündigte Übernahme des Claraspitals durch das Universitätsspital Basel ist das Paradebeispiel für die neue Realität: Stabilität durch Grösse.
Was also bleibt vom Spitaljahr 2024? Ein Hauch von Erleichterung – aber keine Entwarnung.
Wir werden uns wohl darauf einstellen müssen, dass die Spitallandschaft noch viele Jahre in diesem Schwebezustand verbleibt.

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