Im Fall der unausgereiften künstlichen Bandscheibe Cadisc-L kommen immer mehr Details ans Licht. Der in die Implantation der Cadisc-L-Prothese involvierte Arzt Max Aebi sagte am Freitag, gemäss seinem Wissensstand seien
seine Patienten nicht von den Problemen betroffen. Der Orthopäde, der sieben Patienten im Berner Salem-Spital der Privatklinikgruppe Hirslanden solche Bandscheibenimplantate eingesetzt hatte, habe erst aus den Medien von den Komplikationen erfahren.
Doch es gibt mindestens einen Fall mit Komplikationen,
wie die Zeitungen von Tamedia berichteten. Dabei handelt es sich um eine heute 48-jährige Frau aus dem Mittelland. Aebi setzte ihr im Juni 2011 eine Cadisc-L ein. Die damals 41-Jährige konnte vor Rückenschmerzen kaum mehr laufen und suchte deshalb den Wirbelsäulenspezialisten der Hirslanden auf.
Philipp Cathrein entfernte die Prothese
Nach der Operation waren die Schmerzen aber nicht weg. Die Ärzte des Salem-Spitals meinten, das sei normal, es sei ein grosser Eingriff gewesen. Über ein Jahr schluckte sie ständig Schmerztabletten. Zwischen der Operation im Juni 2011 bis im August 2013 wurden sechs Röntgenkontrollen gemacht, dabei sah sie Aebi ein- oder zweimal,sagte sie der Zeitung. «Dann hiess es 2013, alles sei in Ordnung. Ich sei jetzt nach zwei Jahren entlassen. Der Fall sei abgeschlossen.»
In den folgenden Monaten nahmen die Schmerzen aber zu. Die Frau hielt die Qualen nicht mehr aus und suchte den Wirbelsäulenspezialisten Philipp Cathrein von der Privatklinik Linde in Biel auf. Die Abklärung ergab: Der Boden ihrer Cadisc-L war gebrochen. Der Kunststoff hatte sich durch die Deckplatte in den unteren Wirbel gefressen und dort grosse Löcher im Knochen hinterlassen, wie der Arzt laut Tamedia feststellte.
Massive Schäden im Wirbelkörper
«Wir haben massive Schäden im Wirbelkörper und am Nervenkanal vorgefunden, ausgelöst durch die Cadisc-L-Prothese», wird Chirurg Cathrein im Bericht zitiert. Cathrein habe bereits zuvor Cadisc-L-Prothesen wegen Schäden herausoperiert.
Trotz Rückruf herrschte Funkstille
Vom europaweiten Rückruf der Ranier-Produkte im November 2014 hat die Frau nichts erfahren. Max Aebi hat sich bei ihr offenbar nicht gemeldet. Ruth Huber sagt der Zeitung: «Er hat mich zu keiner Konsultation aufgeboten oder Röntgenbilder machen lassen.» Auch das Salem-Spital habe sich damals nicht bei der Frau gemeldet.
In einem Brief an seine Patienten schreibt der 70-jährige Berner Professor Aebi nun, dass er davon ausgegangen sei, dass sich Patienten bei Problemen bei ihm melden würden.
Max Aebi zieht sich zurück
Die Hirslanden-Gruppe hat in der Zwischenzeit eine unabhängige Untersuchung eingeleitet. Als Leiter der Untersuchung hat die Privatklinik Andreas Raabe von der Insel Gruppe beauftragt. Max Aebi will sich derzeit nicht mehr zu den Vorfällen äussern. Er halte daran fest, dass ihn keine Schuld treffe und er korrekt gehandelt habe. Bis zum Abschluss der Untersuchung zieht sich der Mediziner aber
von seiner Tätigkeit als Belegarzt für das Salem-Spital zurück.