Der Preisüberwacher fordert tiefere Spitaltarife und offenere Grenzen

Stefan Meierhans präsentiert acht Vorschläge für ein günstigeres Gesundheitswesen.

, 26. Februar 2024 um 13:57
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«Nach wie vor sind die Tarife überhöht und die Spitalinfrastruktur ist aufgebläht»: Stefan Meierhans, «Mr. Prix»  |  Bild: PD / admin.ch
Das Gesundheitswesen ist einer der ganz grossen Blöcke im Jahresbericht des Bundes-Preisüberwachers. Kein Wunder auch: Von den knapp 2800 Bürgermeldungen, die letztes Jahr bei Stefan Meierhans eingingen, drehten sich gut 13 Prozent um Gesundheitskosten. Es war nach der Energie der zweitgrösste Bereich.
Und wie der Preisüberwacher an seiner Jahres-Konferenz darlegte, konnte er hier 2023 Massnahmen über 1 Milliarde Franken empfehlen.
Das Thema soll auch künftig ganz oben stehen. In seinem Bericht listet «Monsieur Prix» dabei acht konkrete Vorschläge auf, mit denen sich das Kostenwachstum bei den Gesundheitskosten und bei den Krankenkassenprämien angehen liesse.

1. Medikamentenpreise senken.

Dass wir hier teils doppelt so viel für identische Generika bezahlen wie die europäischen Nachbarn, liesse sich durch Einführung direkter Auslandpreisvergleiche im patentabgelaufenen Bereich «leicht beheben», so Meierhans – zusammen mit einer Änderung der Vergütung: Pro Wirkstoff wird nur ein preisgünstiges Medikament entschädigt.
Auch könnte die Preisüberprüfung bei allen Medikamenten vom heutigen Dreijahresrhythmus auf einen Jahresrhythmus umgestellt werden.
Weiter empfiehlt der Preisüberwacher die Zulassung des Off-Label-Use auch aus wirtschaftlichen Gründen, die Abschaffung geheimer Preismodelle oder die Zulassung einer Beschwerdemöglichkeit für Krankenversicherer bei Arzneimittel-Entscheiden.

2. Spitaltarife senken.

«Nach wie vor sind die Tarife überhöht und die Spitalinfrastruktur ist aufgebläht»: Dieser Satz dürfte eine ganze Branche zum Kopfschütteln verleiten – aber so steht er im Bericht des Eidgenössischen Preisüberwachers. Die Kantons- und Spitallobby habe es geschafft, das WZW-Prinzip «sogleich wieder ausser Kraft zu setzen», so das Urteil.
Nötig sei nun eine klare Entflechtung der Zuständigkeiten: Wer Spitäler besitzt, soll nicht deren Tarife genehmigen oder gar festsetzen dürfen.
Zudem solle der Bund für strenge Effizienzkriterien für den stationären Bereich sorgen.
Auch im ambulanten Bereich würde die geforderte Entflechtung des kantonalen Einflusses – laut Mr. Prix – positiv wirken: «Da die Kantone bei den in eigenen Spitalambulatorien erbrachten Arztleistungen einen Anreiz für die Tolerierung eines überhöhten Tarifniveaus haben, können Sie aus Gleichbehandlungsgründen auch die Praxisärzte nicht streng genug anfassen», lautet seine Diagnose.
« Im Grossen und Ganzen sind Schweizer OKP-Versicherte gefangene Kundinnen und Kunden.»

3. Grenzen öffnen.

Das Prinzip, dass die Krankenversicherer zumeist nur Leistungen bezahlen dürfen, die im Inland erbracht werden, sei völlig überholt. Der Preisüberwacher fordert deshalb, dass alle im Ausland bezogenen Medikamente und Hilfsmittel kassenzulässig werden (sofern sie zur OKP zugelassen, von einer Ärztin oder einem Arzt verordnet und zudem günstiger sind).
Zweitens möchte er eine Grenzöffnung auch für Dienstleistungen wie Arzt- und Spitalleistungen oder Laboranalysen.

4. Mehr Transparenz.

Als Beispiel nennt Stefan Meierhans die Einkaufspreis-Spannweite für einen identischen Herzschrittmacher – der Preis reicht von 2200 bis 12’900 Franken. Wüssten die Spitäler, was ihre Konkurrenz für Implantate bezahlt – dann, so Meierhans, liesse sich die OKP merklich entlasten.
Dabei wünscht sich der Preisüberwacher einen einfach zu bedienenden «Tripadvisor» für die Patientenseite – insbesondere für die Leistungen der Spitäler und Praxisärzte: «Mit dieser GesundheitsApp müssten sich für die wichtigsten Symptome die besten Gesundheitsdienstleister – d. h. diejenigen mit dem besten Qualitäts-Preis-Verhältnis – mit wenigen Klicks herausfiltern lassen.»

5. Tarifarische Fehlanreize beseitigen.

Bei den heutigen Tarifsystemen – insbesondere bei ambulanten Arztleistungen – wird fast jeder Detailschritt einzeln vergütet. Dies habe den Nebeneffekt, dass viel zu viel behandelt und untersucht wird. Meierhans’ Fazit: Die Leistungserbringer sollen nicht für Einzelschritte entschädigt werden, sondern hauptsächlich für die Gesamtbetreuung ihrer jeweiligen Patientenkollektive.

6. Mehr Vernetzung und Qualität.

Vernetzte und integrierte Gesundheitssysteme würden den Patienten bei der Orientierung helfen – während die Orientierungslosigkeit heute sowohl zu Überversorgung wie auch zu Qualitätseinbussen führt. Meierhans nennt (mit positivem Unterton) die Versorgungsorganisation «Réseau de l’Arc» als Beispiel: «Das dazugehörige Versicherungsprodukt verspricht qualitativ bessere Versorgungs- und Präventionsangebote bei gleichzeitig tieferen Prämien.»

7. Eine Zielgrösse für das Kostenwachstum.

Hier geht es um eine Art Gesamtsteuerung. Preisüberwacher Meierhans wünscht jährlich konkrete Zielgrössen für das Kostenwachstum in der OKP, festgelegt auf nationaler, kantonaler und womöglich sektorieller Ebene. Werden dann gewisse Wachstumsgrenzen überschritten, sind zwingend Massnahmen zulasten der Leistungserbringer zu ergreifen – zum Beispiel Tarifsenkungen.

8. Gesundheitsprävention stärken.

Eine Überlegung: Wenn 43 Prozent der über 15-jährigen Schweizer Bevölkerung übergewichtig oder adipös sind, dann besteht hier auch noch ein Spar-Potential für die Prämienzahler. Die Gesundheitsprävention liesse sich relativ einfach stärken – beispielsweise durch Ausbildungsschwerpunkte in der Schule oder durch obligatorische Präventionsanstrengungen von Gesundheitsnetzen und Versicherern.
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