Herzschrittmacher: Schweizer Spitäler in der Preisfalle

Eine NZZ-Recherche bestätigt enorme Preisunterschiede bei Implantaten: Für denselben Herzschrittmacher bezahlen Schweizer Spitäler teils das Fünffache deutscher Kliniken. Der Preisgraben wirft Fragen zur Einkaufspolitik auf.

, 29. September 2025 um 09:35
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Von 760 bis 5100 Franken: Ein-Kammer-Herzschrittmacher von Abbott.
Die Preise von Herzschrittmachern sind sehr biegsam: Das ist weitherum bekannt. Selbst innerhalb der Schweiz bezahlen einzelne Spitäler teils das Vierfache anderer Spitäler. Und dass die Hersteller für Medtech-Geräte hierzulande viel mehr verlangen als in den Nachbarländern, ist ebenfalls kein Geheimnis.
Das Ausmass des Grabens zeigt nun eine Recherche der «Neuen Zürcher Zeitung». Der Zeitung liegen Verkaufspreise (inklusive Rabatten) für sechs Modelle vor, die sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland regelmässig eingesetzt werden. Die Produkte stammen von Abbott, Medtronic und Biotronik.
Danach bezahlt ein mittelgrosses Schweizer Allgemeinspital im Extremfall mehr als das Fünffache eines ähnlichen Krankenhauses in Deutschland.
Konkret ist dies beim Ein-Kammer-Herzschrittmacher Abbott Endurity Core SR der Fall: Da berappt ein deutsches Spital umgerechnet 760 bis 860 Franken; derweil verlangt der US-Hersteller in der Schweiz 4900 bis 5100 Franken. Beim Zwei-Kammer-Gerät von Abbott ist das Verhältnis ähnlich hoch.

Wo ist das Servicezentrum?

Eine Erklärung liegt beim Service. In der Schweiz sind Spezialisten der Hersteller im OP dabei, in Deutschland eher nicht. Gegenüber der NZZ betont der Chef einer grossen Schweizer Herzklinik denn auch die Bedeutung des Vor-Ort-Supports: Die Medtech-Konzerne seien zwar global aufgestellt, aber der Service erfolge auf nationaler Ebene – und dies müsse finanziert werden. Es wäre ein Problem, wenn das Servicezentrum in Berlin wäre; und sobald es sich für einen Hersteller nicht mehr lohne, seine Produkte in der Schweiz zu vertreiben, würden Billiganbieter in die Lücke springen.
Bereits im Januar hatte der Preisüberwacher neue Daten veröffentlicht und die Preise für diverse Implantate bei 67 Spitälern verglichen.
«Vor allem die mangelnde Preistransparenz hindert die Spitäler daran, ihre Einkäufe zu optimieren, wettbewerbsfähige Preise auszuhandeln und eine effiziente Nutzung der Ressourcen sicherzustellen», schrieb Preisüberwacher Stefan Meierhans damals: «Darüber hinaus sind in der Schweiz, wie in vielen anderen Ländern, die Beziehungen zwischen den Anbietern medizinischer Implantate sowie den Chirurginnen und Chirurgen sehr eng.»

Unterschiede verwedeln

Die Daten des «Monsieur Prix» zeigten erhebliche Unterschiede für identische Implantate auf – auch innerhalb der Schweiz: Danach kann ein Herzschrittmacher von einem Spital zum anderen bis 4,5-mal teurer sein. Ein Herzdefibrillator desselben Anbieters kann einen Preisunterschied um den Faktor 2 aufweisen.
Eine wahrscheinliche Erklärung liege in den von den Herstellern eingeführten Marktsegmentierungs-Praktiken, die dazu beitragen, die Unterschiede in der Verhandlungsmacht sowie die Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Spitäler auszunutzen – so die Deutung des «Monsieur Prix».
Der Preisüberwacher hatte sich auch schon 2007 mit den hohen Preisen befasst, die Schweizer Kliniken im Vergleich zu den Nachbarländern bezahlen. Eine vom damaligen Team durchgeführte Studie ergab, dass Gesundheitsdienstleister in Deutschland für denselben Herzschrittmacher nur 54 Prozent des Schweizer Preises bezahlten, während das gleiche Gerät in Frankreich 47 Prozent des Schweizer Tarifs kostete. Auch in Italien und Österreich waren die Preise deutlich niedriger.
Heute sind laut der Umfrage des Preisüberwachers 93 Prozent der befragten Schweizer Spitäler der Meinung, dass die Preise für medizinische Implantate im Vergleich zum europäischen Niveau zu hoch sind.
In der «Neuen Zürcher Zeitung» kritisiert jetzt ein Einkäufer, dass die Spitaldirektionen zu wenig auf eine Sortimentsplanung pochten, bei der auch auf die Kosten geachtet wird: Immer noch könnten die Chefärzte darüber entscheiden, welche Geräte verwendet werden. «Dabei wäre es wichtig, ein Sortiment festzulegen und verbindliche Mengen zu bestellen, weil die Hersteller dann zu starken Preisreduktionen bereit wären.»
Der Preisüberwacher schlug im Januar 2025 sieben Massnahmen vor, um die Transparenz zu erhöhen und die Kosten zu optimieren:
1. Einrichtung eines anonymisierten nationalen Registers der tatsächlich gezahlten Kaufpreise, auf das nur Behörden, Spitäler und Krankenversicherer Zugriff haben.
2. Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung für Anbieter, die Zusammensetzung der Preise sowohl bei Verhandlungen als auch in Verträgen detailliert darzulegen.
3. Weniger Einfluss der Chirurgen bei der Auswahl von Implantaten: Es sollen Kriterien gefördert werden, die auf den Bedürfnissen der Patienten gründen.
4. Förderung von Parallelimporten durch Vereinfachung der Vorschriften und Sanktionen gegen wettbewerbswidrige Praktiken.
5. Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit im Bereich der Einkaufsgemeinschaften.
6. Festlegung einer Mindestanzahl von Fällen für die wichtigsten Implantatkategorien, um ausreichende Erfahrung zu gewährleisten und möglicherweise die Kosten zu senken.
7. Stärkere Kontrolle der Kantone über öffentliche Krankenhäuser, insbesondere in Bezug auf die Ausschreibungsverfahren.

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