Umkleidezeit als Arbeitszeit: Spitäler setzen auf Stoppuhren

Das Umziehen als Arbeitszeit abzugelten, stellt die Spitäler vor grundlegende Herausforderungen. Einige Spitäler lassen die Mitarbeitenden deshalb mit der Stoppuhr messen.

, 19. März 2019 um 12:39
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Der Durchbruch scheint gelungen zu sein: Immer mehr Spitäler in der Schweiz sind bereit, die Umkleidezeit zu vergüten (etwa hier). Doch die Umsetzung bringt auch Tücken mit sich. Dies zeigt das Beispiel aus unserem Nachbarland. In Österreich zählt nach einem Gerichtsentscheid das An- und Ausziehen der Dienstkleidung von Ärzten und Pflegern in Spitälern als Arbeitszeit.
Die Tiroler Kliniken bezahlen seit Kurzem das Umkleiden und den Weg von der Garderobe bis zur Station – und zwar rückwirkend für die letzten drei Jahre. Doch die rund 5'000 Mitarbeitenden und die Kliniken konnten sich nicht auf eine Pauschale einigen. Die Lösung: Stoppuhren.

Fünf freie Tage für drei Jahre

So waren in den letzten Wochen viele Pflegefachleute oder Ärzte mit der Stoppuhr unterwegs, wie der österreichische TV-Sender ORF meldet. Das Ziel: Alle Umkleidezeiten pro Mitarbeiter individuell zu ermitteln, um dem Zeitkonto gutzuschreiben. Diese kann der Mitarbeitende dann einziehen. 
Im Schnitt kommt ein Angestellter so auf fünf freie Tage in den letzten drei Jahren, heisst es. Die Gewerkschaft VPOD kommt für die Schweiz allerdings auf andere Zahlen: Hier sollen sich die täglichen Umkleide-Minuten auf rund zwei Wochen pro Jahr summieren.  

Zwei Minuten zum Umziehen

Die Messungen bei den Tiroler Kliniken sind laut dem Betriebsrat aufwändig und kompliziert. Der Rat hätte sich eine Pauschallösung gewünscht. 
In den nächsten Wochen erhält jeder Mitarbeiter nun eine Aufstellung mit seinen gemessenen Wegzeiten. Für die reine Umziehzeit werden die Tirol Kliniken je zwei Minuten zu Dienstbeginn und zu Dienstende verrechnen.

Soll kostenneutral umgesetzt werden

Das Umziehen muss künftig während des Dienstes stattfinden. Wie genau, steht noch nicht fest. Die Umsetzung könnte auch geänderte Dienstzeiten beinhalten. Auf jeden Fall soll das Vorhaben kostenneutral abgewickelt werden, heisst es. Die konkrete Umsetzung überlässt die Klinik den Stationen. Jede Einheit könne dies am besten managen, so die Begründung. 
In der Schweiz rechnet der Zürcher Krankenhausverband (VZK) mit hohen Kosten bei der Umsetzung der Pläne. Der VZK hat vor kurzem vorgerechnet: Würde ein Spital in der Schweiz die Mitarbeitenden fürs Umkleiden bezahlen, könnte das bis zu 20 Millionen Franken kosten.

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