Du oder Sie? So wünschen es Ärzte und Pflegefachleute

Mitarbeitende der Pflege oder der Verwaltung bevorzugen das Duzen. Anders sieht es bei den Ärzten und Ärztinnen aus. Dies zeigt eine Medinside-Umfrage mit über 500 Teilnehmenden.

, 10. Februar 2022 um 06:00
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Seit Anfang Jahr müssen sich die Mitarbeitenden des Aargauer Gesundheitszentrums Fricktal (GZF) duzen. Vom Spitaldirektor über die Pflegenden und die Ärzteschaft bis hin zu den Angestellten aller Verwaltungs- und Supportbereiche. Es ist nicht das erste Spital mit einer angeordneten Regelung zum Duzen.
Medinside wollte wissen, wie die Profis aus dem Gesundheitswesen diese «Du-Kultur» handhaben. Über 500 Mitarbeitende aus dem Schweizer Gesundheitswesen haben an unserer Umfrage teilgenommen. 20 Prozent der Befragten kommen aus der Pflege, ein Drittel sind Ärzte oder Ärztinnen, ein Drittel arbeitet in der Verwaltung wie Finanzen oder Personal. 10 Prozent sind medizinisch-technisch oder medizinisch-therapeutisch tätig. Und der Rest stammt aus der Forschung oder aus einem anderen Bereich. Knapp zwei Drittel der Befragten sind in einer leitenden Position tätig. 
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Quelle: Medinside

Abweichung je nach Berufsgattung

Die Umfrage zeigt vor allem eines: Es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen. Während drei von vier Pflege-Mitarbeitenden das «Du» bevorzugen, sieht es bei der Ärzteschaft anders aus: Hier wünscht sich knapp über die Hälfte das Siezen. Bei den anderen Bereichen ergibt sich ein ähnliches Bild wie in der Pflege, wie das untenstehende Diagramm zeigt. 
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Quelle: Medinside
Was ebenso auffällt: Bei beiden Berufszweigen gibt es Abweichungen. So gab es Stimmen aus der Pflege, die sich darüber nerven, wenn sie von Mitarbeitenden aus der Verwaltung einfach geduzt werden. Anderseits melden sich Chefärzte und Institutsleiter zu Wort, die mit Überzeugung mit jedem Mitarbeitenden per «Du» sind.

Duzen sei einfach und unkompliziert

Auf die Vorteile für das Duzen angesprochen, nennen die Umfrageteilnehmer, dass es persönlicher, einfacher und unkompliziert sei. Es schaffe Vertrauen, stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl und fördere eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Und überhaupt sei das «Du» zeitgemäss und könne Hierarchien entgegenwirken.  
Man dürfe, so der Tenor weiter, den Respekt zum Gegenüber dabei aber nicht verlieren. Respekt gegenüber den Arbeits-Kolleginnen und -Kollegen hänge sowieso nie vom «Du» oder «Sie» ab, sind viele der Überzeugung. 

Die «Du-Kultur» wirke «aufgesetzt»

Respekt ist denn auch ein Stichwort, welches die Befürworter des Siezens zur Sprache bringen. Denn die Gründe, warum diese Gesundheitsprofis lieber beim «Sie» bleiben möchten, hat vor allem mit professioneller Distanz oder Respekt zu tun. 
Das Siezen grenze das «Private» vom «Beruflichen» klar ab, sagen einige. Andere finden, die Du-Kultur wirke aufgesetzt und irgendwie kumpelhaft. Das «Du» sollte auf jeden Fall von beiden Seiten zu erst erarbeitet werden und gelte quasi als Privileg.   

Konflikt lasse sich mit «Sie» besser lösen

Auch mit dem «Sie» könne ein kooperatives und vertrauensvolles Verhältnis entstehen. Ein häufig genannter Vorteil des Siezens: In gewissen Situationen vereinfache es die Arbeit enorm – vor allem bei Konflikten, wie einige Umfrageteilnehmer die Erfahrung gemacht haben. 
Ist das Duzen eine Frage der Hierarchie? Nicht unbedingt. So erachtet eine Person aus der Umfrage beispielsweise das Duzen zwischen einem Chefarzt und seinen Assistenzärzten als «sehr kritisch». Und zwar nicht aus Sorge um die hierarchische Position, sondern vielmehr, weil es geradezu «aufdringlich» sei, als Vorgesetzter von den Mitarbeitenden das «Du» zu verlangen.

Ist das Siezen eine Generationenfrage?

Eine weitere Umfrageteilnehmerin teilt mit, dass es sie nerve, wenn eine junge Fachangestellte Gesundheit sie einfach duze. Es gibt auch andere Stimmen, die sich daran stören, wenn eine 16-jährige Auszubildende den 60-jährigen Spitalchef oder Chefarzt einfach duze. Es stellt sich demnach auch die Frage, ob das Duzen oder Siezen eine Frage des Alters darstellt?
Nein. Denn es lässt sich feststellen, dass die Altersunterschiede nicht stark ins Gewicht fallen und auch kaum mit den Antworten im Zusammenhang stehen. Ein Drittel gab ein Alter zwischen 50 und 60 Jahren an, ein Viertel war über 60 Jahre und je 20 Prozent nannten ein Alter zwischen 30 und 40 Jahren respektive zwischen 40 und 50 Jahren. Weniger als 10 Prozent war unter 30 Jahre. 
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Quelle: Medinside

Keine Anordnung von oben erwünscht

Die klare Mehrheit, die das Duzen bevorzugt, ist schliesslich der Meinung, dass dies «natürlich» entstehen müsse. Es sollte auf keinen Fall angeordnet werden. Das Duzen oder Siezen sei eine persönliche Entscheidung: Jeder sollte für sich selbst bestimmen, mit wem er per «Du» sein möchte – oder eben nicht. 
Doch es gibt auch andere Ansichten: Ein Mitarbeiter aus einer Klinik, in der das offizielle «Du» bereits angeordnet wurde, schreibt, dass er zu Beginn skeptisch gewesen sei und das Duzen in gewissen Begegnungen als merkwürdig empfunden habe. Doch inzwischen sei es Alltag geworden und es verkleinere die Hürden tatsächlich.
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