Schulthess Klinik schmückt sich mit Max-Aebi-Award

Weil der Wirbelsäulen-Award «Max Aebi» bröckelt, wird die Frage laut: Wie heikel sind die Negativschlagzeilen über den Chirurgen für diesen Award?

, 29. Oktober 2019 um 09:43
image
  • orthopädie
  • max aebi
  • schulthess klinik
  • spital
  • cadisc-l
Der Name Max Aebi kommt seit einiger Zeit nicht so gut weg. Dem Orthopäden wird unter anderem Sorgfaltspflichtverletzungen vorgeworfen. Zwischen 2011 und 2013 implantierte er mehreren Patienten in der Schweiz das Bandscheiben-Implantat Cadisc-L. Weil sich das offensichtlich unausgereifte Kunststoffimplantat im Körper zersetzt hatte, mussten mehrere Patienten erneut operiert werden.
Wahrscheinlich hätten sich diese Komplikationen vermeiden lassen. Denn Versuche an Primaten missglückten, die erste Studie scheiterte bereits an der fehlerhaften Implantation. Und auch die Bedeutung eines radiologischen (negativen) Berichts wurde heruntergespielt und als «irrelevant» bezeichnet. Die fehlerhafte künstliche Bandscheibe, die Max Aebi auf Kongressen und in Fachartikeln bewarb, wurde europaweit fast 200 Patienten implantiert.

Interessenbindungen nicht offengelegt

Rechtlich muss sich Max Aebi, der die Implantate am Berner Hirslandenspital Salem einsetzte, derzeit nichts Handfestes vorwerfen lassen. Ein unabhängiger Bericht, im Auftrag von Hirslanden, erlaubt keine abschliessende Beurteilung des Verhaltens in straf- oder haftungsrechtlicher Hinsicht. Aus berufsethischer Sicht wäre Aebi gegenüber den Patienten aber verpflichtet gewesen, seine Tätigkeit für das Scientific Advisory Board und seine Aktienoptionen von der Herstellerfirma Ranier offenzulegen. Aus vertraglichen Gründen auch gegenüber Hirslanden. Dem ist er nicht nachgekommen. Warum auch immer.
Eine weitere Frage bleibt offen: Weshalb hat Max Aebi auf die von Ranier empfohlene Nachuntersuchung der Patienten schliesslich verzichtet? Vor allem, weil er als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates einen besonderen Kenntnisstand der missglückten Affenstudien hatte. Aus rechtlicher Sicht dürfte er damit gegenüber den Patienten seine Aufklärungs- und medizinische Sorgfaltspflicht nicht wahrgenommen haben.

Schulthess Klinik ist sehr stolz auf die Auszeichnung

Seit der Berichterstattung vor einem Jahr ist der Name Max Aebi in der Öffentlichkeit mit den negativen Medienberichten verknüpft. Anders aber in der Branche: So schmückt sich die Schulthess Klinik derzeit mit einem Award, der seinen Namen trägt: «Max Aebi Award for Clinical Sciences». Der Award wird vom «European Spine Journal» vergeben, dem offiziellen Journal der Fachgesellschaft für Wirbelsäulenerkrankung in Europa. 
Max Aebi war als Co-Gründer mehr als 20 Jahre Chefredaktor dieser Fachzeitschrift. Ist es nicht heikel, sich derzeit mit diesem Award zu schmücken? Die orthopädische Klinik aus Zürich weiss von der laufenden Strafuntersuchung gegen ihn, wie sie auf Anfrage mitteilt. Der Award werde jedoch nicht von Max Aebi vergeben, sondern sei lediglich nach ihm benannt, heisst es weiter. Auch sitze er nicht in der Jury ein, die diesen Award vergebe. Die Klinik sei sehr stolz auf diese Auszeichnung für das Wirbelsäulenteam, das in einer Studie den Nutzen verschiedener Methoden bei Wirbelsäulen-OP verglich. 

Fachmagazin sieht keinen Grund zu handeln

Auch Robert Gunzburg vom «European Spine Journal» ist es nicht entgangen, dass Max Aebi für negative Schlagzeilen in den Medien sorgte. Solange es aber keine Gerichtsverfahren mit Verurteilungen gebe, sehe er keinen Grund zu handeln, sagt der Editor-in-Chief des Fachmagazins gegenüber Medinside.
Ob es zu einer Verurteilung kommen wird, ist derzeit noch unklar. Klar ist: Die Berner Staatsanwaltschaft hat im Frühling gegen unbekannte Täterschaft sowie gegen Max Aebi eine Untersuchung eröffnet. Dies wegen schwerer Körperverletzung und Vergehen gegen das Heilmittelgesetz.

Hirslanden distanziert sich von Aebi

Die Privatklinikgruppe Hirslanden, die bereits auf die Vorkommnisse reagierte, beweist etwas mehr Feingefühl, wenn es um ihren Ruf geht. Sie möchte, so scheint es jedenfalls, eine Verbindung zu ihrem ehemaligen Star-Chirurgen im Berner Salem-Spital vermeiden. 
Beiträge über seine Person und sein Schaffen sind auf der Hirslanden-Webseite inzwischen gelöscht. Interviews und Artikel im Hirslanden-Blog, wo Max Aebi zum Beispiel in Pakistan Erdbebenopfer operierte oder über Bandscheibenvorfälle schreibt, sind verschwunden und heute nicht mehr aufrufbar. Ende 2018 sei er «altershalber» als Belegarzt ausgeschieden, heisst es. Dies, obwohl Aebi sich im Dezember 2018 bis zum Abschluss der internen Untersuchung von seiner Tätigkeit als Belegarzt für das Salem-Spital eigentlich nur zurückziehen wollte.  
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Oberengadin: Kredit ist «überlebenswichtig»

Die Trägergemeinden des Spitals Samedan sind sich einig: Das Oberengadin braucht eine «qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung».

image

Ein Walliser wird Chefarzt am Inselspital

Der Nachfolger von Klaus Siebenrock als Chefarzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie heisst Moritz Tannast.

image

Basel: Adullam-Stiftung engagiert Jörg Leuppi

Der CMO des Kantonsspitals Baselland wird Stiftungsrat bei der Organisation für Altersmedizin.

image

USZ macht Verlust von 49 Millionen Franken

Verantwortlich dafür sind unter anderem inflations- und lohnbedingte Kosten. Zudem mussten Betten gesperrt werden.

image

Auch das KSW schreibt tiefrote Zahlen

Hier betrug das Minus im vergangenen Jahr 49,5 Millionen Franken.

image

...und auch das Stadtspital Zürich reiht sich ein

Es verzeichnet einen Verlust von 39 Millionen Franken.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.