So hat Hirslanden auf das Implantateskandal reagiert

Die Privatklinikgruppe hat im Fall des Bandscheibenersatzes Cadisc-L wichtige Massnahmen ergriffen.

, 10. September 2019 um 08:25
image
  • hirslanden
  • cadisc-l
  • max aebi
  • spital
Im Zusammenhang mit dem fehleranfälligen Wirbelsäulen-Implantat Cadisc-L wird dem bekannten Orthopäden Max Aebi vorgeworfen, finanzielle Interessenkonflikte nicht offengelegt zu haben. Und es dürfte auch zu medizinischen Sorgfaltspflichtverletzungen gekommen sein, wie ein unabhängiges Gutachten zeigt.  
Nach der Veröffentlichung des Abschlussbericht der Zürcher Anwaltskanzlei Baumgartner Mächler – im Auftrag von Hirslanden – hat die Privatklinikgruppe auch gleich Empfehlungen der Gutachter umgesetzt:
  • Zum einen legt Hirslanden künftig die Interessenbindungen ihrer Ärzten fortan auf der Website offen. In einem öffentlichen einsehbaren Register. Patienten sollen persönliche Interessen des Operateurs an Implantaten, Wirkstoffen oder Behandlungsmethoden überblicken können. Dazu gehören etwa finanzielle Beteiligungen an Medtech- und Pharmaunternehmen sowie auch die Tätigkeit in wissenschaftlichen Beiräten oder als Berater solcher Unternehmen.
  • Die Privatklinikgruppe geht aber noch weiter: Hirslanden hat das Überwachungssystem für Medizinalprodukte verfeinert. Ein internes Expertengremium (Heilmittelboard) prüft künftig deren Auswahl. Damit geht die Spitalkette über die gesetzlichen Anforderungen an ein Materiovigilance-System hinaus. Das CE-Zertifikat reicht der Gruppe künftig nicht mehr, da es laut den Gutachtern kein Qualitätsmerkmal ist, sondern lediglich eine Art Warenpass. Hirslanden will allfällige negative ­Erkenntnisse mit anderen Anwendern teilen.

Blog-Einträge gelöscht

Der Berner Orthopäde Max Aebi operiert inzwischen nicht mehr im Salem-Spital. Im Zuge der Medienberichte und der von Hirslanden lancierten Untersuchung wurde seine Akkreditierung suspendiert. Ende 2018 sei er «altershalber» als Belegarzt ausgeschieden. Beiträge über seine Person und sein Schaffen hat die Privatklinikgruppe inzwischen gelöscht. Artikel im Hirslanden-Blog sind nicht mehr aufrufbar. 
Gegen Aebi läuft im Kanton Bern eine Strafuntersuchung –unter anderem wegen Verdacht auf schwere Körperverletzung. Der 71-Jährige bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. 
Die ­Autoren des Hirslanden-Berichts halten fest, Sachverhaltslücken erlaubten keine abschliessende Beurteilung in straf- oder haftungsrechtlicher Hinsicht. Und die «momentane Bestandesaufnahme» erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sei folglich möglich, dass die Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft zu neuen Erkenntnissen komme, die zu anderen rechtlichen Beurteilungen führen könnten.  

Verantwortliche Person war krankgeschrieben

Als «mangelhaft» bezeichnen die Gutachter der Zürcher Anwaltskanzlei Baumgartner Mächler  die Abläufe im Berner Salem-Spital von Hirslanden, wo Max Aebi die ­Operationen durchgeführt hatte. «Im Salem-Spital ist nicht aktenkundig, wie beziehungsweise ob auf die Sicherheitsmitteilung reagiert worden ist», steht im Bericht. Max Aebi selbst habe bei der Befragung nicht kooperiert. 
Eine wichtige Sicherheitsmitteilung von Swissmedic sei ­damals intern untergegangen, weil die verantwortliche Person zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben war, steht dort weiter. Sie leitete die E-Mail gleichentags weiter. Es konnte laut den privaten Ermittlern aber nicht mehr festgestellt werden, an wen diese weitergeleitet worden ist, auch nicht ob es sich um eine interne Person handelt – und wie diese Person darauf reagiert hat. Ein Kontakt mit Max Aebi oder den Patienten sei beim Salem-Spital nicht dokumentiert.

Kein Fehlverhalten der Spitäler 

Doch die Verantwortung, die Patienten über die gravierenden Probleme mit Cadisc-L zu informieren, liege ­eindeutig bei Max Aebi. Er sei im Spital als Belegarzt auf eigene Rechnung tätig gewesen und somit für seine Patienten verantwortlich. Zudem hatte er als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Herstellerfirma Ranier einen besonderen Kenntnisstand. 
Die beiden Rechtsanwälte Hans Baumgartner und Enrico Moretti halten im Bericht demnach fest: «Es liegt kein Fehlverhalten der Spitäler oder deren Mitarbeiter bei der Bestellung und Abgabe des Implantats vor».
Was ist mit den Patienten? Ein Teil der Operierten aus der Schweiz leidet bis heute und musste sich einer weiteren Operation unterziehen. Für die übrigen wird einen ungewissen Verlauf erwartet. Hirslanden hat daher allen acht lebenslang kostenfreie Kontrolluntersuchungen versprochen.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

USZ macht Verlust von 49 Millionen Franken

Verantwortlich dafür sind unter anderem inflations- und lohnbedingte Kosten. Zudem mussten Betten gesperrt werden.

image

Auch das KSW schreibt tiefrote Zahlen

Hier betrug das Minus im vergangenen Jahr 49,5 Millionen Franken.

image

...und auch das Stadtspital Zürich reiht sich ein

Es verzeichnet einen Verlust von 39 Millionen Franken.

image

Kantonsspital Olten: Neuer Chefarzt Adipositaschirurgie

Urs Pfefferkorn übernimmt gleichzeitig die Führung des Departements Operative Medizin.

image

SVAR: Rötere Zahlen auch in Ausserrhoden

Der Einsatz von mehr Fremdpersonal war offenbar ein wichtiger Faktor, der auf die Rentabilität drückte.

image

Wie relevant ist das GZO-Spital? Das soll das Gericht klären.

Das Spital in Wetzikon zieht die Kantonsregierung vors Verwaltungsgericht – und will belegen, dass es unverzichtbar ist.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.