Parlamentarier stellen Fragen zum Projekt von Swiss Medical Network

Die Privatklinikgruppe Swiss Medical Network und der Versicherer Visana haben im Berner Jura grosse Pläne. Nun melden die ersten Politiker Vorbehalte an, darunter auch Ärzte.

, 27. Februar 2023 um 09:30
image
Parlamentarier möchten vom Bundesrat wissen, wie er gewisse Risiken einschätzt? | zvg
Die von Antoine Hubert gesteuerte Privatspitalkette Swiss Medical Network (SMN) will in Moutier im Kanton Bern ein neues System der integrierten Versorgung aufbauen. Das Versorgungsmodell nach dem Modell der amerikanischen Gruppe Kaiser Permanente wurde gross angekündigt. Hubert erhielt von vielen Seiten Jubel. Weitere Projekte sollen schweizweit folgen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen gegen das Vorhaben. Nun melden auch die ersten Parlamentarier Vorbehalte: In einer Interpellation erwähnt der Genfer Nationalrat Christian Dandrès die Skandale und die verschiedenen Gerichtsverfahren, die in den USA gegen die umstrittene Gesundheitsorganisation Kaiser Permanente laufen.

Unternehmen mit «schwerwiegenden Mängeln»

So sollen Ärztinnen und Ärzte von der Organisation unter Druck gesetzt worden sein, mit falschen Diagnosecodes überhöhte Rechnungen zu stellen. Ausserdem hätten sich dieses Jahr Tausende von Pflegefachleuten von Kaiser Permanente zur Wehr gesetzt und verlangt, dass die Patientinnen und Patienten unbedingt notwendige Pflege («desperately needed») erhalten, wie er ausführt.
Der Jurist und SP-Nationalrat erwähnt weiter, dass auch die Gewerkschaften des medizinischen Personals in den USA auf «schwerwiegende Mängel» in diesem Unternehmen hinweisen. So müssten etwa die Patientinnen und Patienten bis zu acht Wochen auf Behandlungen warten, die wöchentlich durchgeführt werden sollten.

Nationalrat sieht Risiken

Für ihn und seine Mitunterzeichnenden ist klar: «Diese Missstände und Mängel sind grösstenteils auf die Risiken zurückzuführen, die bestehen, wenn das medizinische Personal direkt dem Versicherer unterstellt ist und zwischen dem Versicherer und einem börsennotierten Konzern, der hohe Renditen anstrebt, eine Verbindung besteht.»
Der 42-jährige Genfer Anwalt möchte hinweisend auf die zahlreichen Schlagzeilen in den Medien (etwa hier) wissen, wie der Bundesrat beziehungsweise das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese Risiken mit Blick auf die neue Versorgungsorganisation «Réseau de l'Arc» einschätzten?

Visana hat noch kein Gesuch eingereicht

In seiner Antwort bleibt der Bundesrat vage: Auf die Frage der Risiken geht er gar nicht erst ein. Er verweist auf die Spitalplanung und auf die Kantone, die Gesundheitsfachpersonen oder Spitäler beaufsichtigen. Die Kantone hätten aus Kostengründen ein Interesse, dass die Leistungserbringer sich gut vernetzen. Dies könne auch durch «besondere Versicherungsformen» und durch «Netzwerke zur koordinieren Versorgung» unterstützt werden, geht aus dem Schreiben hervor.
Zur Visana und zur Versicherungsform mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers verweist der Bundesrat auf die Eingabe der Prämien beim BAG. Die entsprechenden Versicherungsbedingungen sowie die Prämientarife müssten fünf Monate vor Beginn der Gültigkeit eingereicht werden. Ein entsprechendes Gesuch sei bis jetzt aber noch nicht eingegangen.

Ehemaliger FMH-Vizepräsident als Unterstützer

Die Widerstände gegen die Vorbildorganisation von Swiss Medical Network, Visana und dem Kanton Bern waren zu erwarten. Insbesondere von politisch linker Seite werden die Rekordgewinne von Kaiser Permanente auf Kosten der Patientenversorgung kritisiert. So sind als Mitunterzeichner mehrere Ratsmitglieder der SP oder der Grünen aufgeführt, etwa Balthasar Glättli, Pierre-Yves Maillard oder Cédric Wermuth. Unterstützung erhält die Interpellation aber auch von der Waadtländer Ärztin Brigitte Crottaz oder von Michel Matter, dem ehemaligen Vizepräsidenten der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH.

Lesen Sie auch:
  • «Die fünf heiklen Punkte beim Krankenkassen-Spital im Jura»

  • swiss medical network
  • visana
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Privatklinikbesitzer gilt als «nicht erfolgreich integriert»

Michel Reybier wird die Einbürgerung verweigert. Der 77-jährige Miteigentümer von Swiss Medical Network war zu schnell mit dem Auto unterwegs.

image

Die fünf heiklen Punkte beim Krankenkassen-Spital im Jura

Gesundheitsexperten räumen dem neuen Visana-Experiment eine Chance ein – allerdings nur im ländlichen Jura und nicht in einer Stadt.

image

Krankenkasse Visana beteiligt sich am Spital Moutier

Ab Anfang 2023 halten der Krankenversicherer Visana, der private Spitalbetreiber Swiss Medical Network und der Kanton Bern je rund ein Drittel am Spital Berner Jura.

image

Zwei Privatspitäler erhalten sieben Millionen Franken

Die Neuenburger Spitalplanung ist nicht mehr blockiert. Die Privatklinik-Gruppe Swiss Medical Network und der Kanton haben sich geeinigt – vorerst mit Geld.

image

Premiere: Rosenklinik setzt in der Orthopädie auf Agile+

Als erste Klinik der Schweiz setzt die Rosenklinik in Rapperswil auf ein ganzheitliches Orthopädie-Behandlungskonzept. 20 Patienten wurden bisher damit behandelt.

image

Lindenhof: Ex-CEO von Swiss Medical Network neu an der Spitze

Die Nachfolge für den scheidenden Verwaltungsratspräsidenten bei der Lindenhofgruppe ist geregelt. Beat Röthlisberger folgt auf Hannes Wittwer.

Vom gleichen Autor

image

Fernüberwachung hat keine Spitaleintritte verhindert

Eine neue Studie zeigt: Das Überwachen von Patienten mit Herzinsuffizienz per Telemonitoring führte weder dazu, dass sie seltener ins Spital mussten, noch verlängerte es ihre Lebensdauer.

image

Ein Warnruf der fünf Universitätsspitäler

Die Universitätsspitäler in der Schweiz sind gemäss eigenen Angaben in ernsthafter finanzieller Gefahr. Die Chefs der fünf Häuser drücken ihre Besorgnis mit Nachdruck und überraschend deutlichen Worten aus.

image

Neuer Chefchirurg für das Neuenburger Spitalnetz

Marc-Olivier Sauvain übernimmt die Leitung der Chirurgie beim Réseau Hospitalier Neuchâtelois.