Heinz Locher: «Es ist eine Übernahme, die Visana schluckt die Atupri»

Krankenkassen mit traditionellen Geschäftsmodellen geraten unter Druck. Es gibt mehrere Übernahmekandidaten, sagt der Gesundheitsökonom Heinz Locher.

, 9. Juni 2023 um 04:56
image
Welche Unternehmenskultur sich bei Atusana durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. | Freepik
Heinz Locher hat einmal gesagt, er gehöre zu den gefährlichsten Menschen. «Ich bin ein alter Mann, der nichts zu verlieren hat und alles sagen kann». In einem Interview mit der «Handelszeitung» (Abo) äussert sich der bekannte Gesundheitsökonom nun zum Zusammenschluss der beiden Krankenkassen Visana und Atupri zur Gruppe Atusana.
Die beiden Berner Versicherer sagen offiziell, dass der Zusammenschluss «als Kombinationsfusion auf Augenhöhe» erfolge. Doch für Heinz Locher ist Atupri der Juniorpartner. Das zeige schon der Grössenvergleich: Die Atupri habe rund 153’000 Versicherte, die Visana rund 644’000. Im Klartext: «Es ist eine Übernahme, die Visana schluckt die Atupri.»

Visana, Atupri und KPT?

Die ehemalige SBB-Betriebskrankenkasse habe die kritische Grösse nicht mehr erreicht, um im Wettbewerb bestehen zu können, sagt er weiter. Im Jahr 2023 geriet sie in eine schwierige Situation, weil ihre Prämien zu teuer waren. Sie verlor massiv Versicherte. Kassen, die an traditionellen Geschäftsmodellen festhalten – wie die Atupri – geraten gemäss Locher unter Druck. Generell seien ab Platz zehn der grössten Krankenkassen alle Übernahmekandidaten.
Locher stellt sich zudem die Frage, ob die Krankenkasse KPT, die ja auch in Bern zu Hause ist, nicht auch Teil dieser Berner Gruppe werden sollte. Ein Dreierallianz würde Sinn ergeben, sagt er.

Ein Stellenabbau sei wahrscheinlich

Atusana, so heisst die neue Krankenkassengruppe, versichert, dass beide Kassen unabhängig bleiben sollen; ein Stellenabbau sei damit nicht verbunden. Für Locher ist ein vollständiger Zusammenschluss aber unabdingbar, weil sonst die Synergieeffekte nicht erreicht werden könnten. «Dies nicht bereits jetzt offenzulegen, ist psychologisch klug.» Man dürfe nichts überstürzen, denn die Unternehmenskulturen seien sehr unterschiedlich. Ein Stellenabbau sei wahrscheinlich, könne aber durch natürliche Fluktuation bewältigt werden.
Die beiden Spitzenpositionen der neuen Krankenkassengruppe besetzen Personen aus dem Hause Visana. Interessant sei nun, so Locher weiter, welche der beiden Unternehmenskulturen sich durchsetzen werde. Die Visana sei gut unterwegs, aber auf Berndeutsch etwas «behäbig», nicht dynamisch. Die Atupri habe eine gute Servicekultur und Kundenorientierung und werde Dynamik in die neue Organisation bringen. Ein Innovationsschub sei nötig und vielleicht bringe das Atupri-Management diesen Schwung mit. «Es ist ja häufig der Fall, dass ein grosses Unternehmen ein kleineres übernimmt, aber dass sich dann aber die Kultur des kleineren Players durchsetzt», so Locher.
  • versicherer
  • atupri
  • visana
  • kpt
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Viel Zustimmung für Kostenbremse im Gesundheitswesen

Bald kommt eine Initiative vors Volk, welche die Healthcare-Branche massiv betreffen könnte. Sie hat offenbar intakte Chancen.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

«Das Problem ist die Bürokratie, welche die Kassen selber mitverursachen»

Der Kardiologe Michel Romanens kämpft seit Jahren gegen die WZW-Ermittlungs-Verfahren der Versicherer. Nun erhält er massive Unterstützung durch ein Bundesgerichts-Urteil. Was sind die Folgen?

image

«Es gibt immer noch Unter- und Fehlversorgung»

Zum Tag der seltenen Krankheiten soll auf die über eine halbe Million Betroffenen im Land aufmerksam gemacht werden. Woran fehlt es? Ein Interview mit Christine Guckert von der Kosek.

image

Die Ärzte finden die meisten Krankenkassen-Rückfragen sinnlos

Eine Erhebung des VSAO ging der Frage nach, wie man die Bürokratie bändigen könnte. Ein Ergebnis: Der Fax ist nicht das Problem; die KIS schon eher.

image

Privatspital hätte über Kosten informieren müssen

Das Bundesgericht gab einem Patienten recht: Er schuldet keine Zusatzkosten – weil der Arzt nicht offenlegte, dass die Krankenkasse sein Spital ablehnt.

Vom gleichen Autor

image

Kantonsspital Glarus verliert GL-Mitglied

Thomas Kühnis, Chef der Finanzen, Informatik und Betriebe, verlässt nach neun Jahren die Geschäftsleitung des Kantonsspitals Glarus.

image

Neue Ärzte-Tarife auf dem Weg zur Genehmigung

Die Tarifpartner beantragen wie geplant die Genehmigung eines Tarifsystems aus ambulanten Pauschalen und Tardoc.

image

Schatten über dem Verkauf des Spitals Flawil

Wurden beim Verkauf des Spitals Flawil die Vertragspartner getäuscht? Mehrere Kantonsparlamentarier verlangen Antworten von der St.Galler Regierung.