Neues Konzept: Wohnzimmer-Betreuung statt Spitalpflege

Die alternden Babyboomer müssten unbedingt zu Hause leben können, findet der Gesundheitsökonom Heinz Locher. Er fordert mehr Betreuung statt Pflege.

, 18. Juni 2025 um 12:35
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So sieht ein Beispiel von Heinz Lochers «Wohnzimmer-Gesundheitssystem» in der Praxis aus: Eine betagte Frau wird so betreut, dass sie selber Mittagessen kochen kann - statt dass sie es im Heim serviert erhält. | PD
Nächstes Jahr wird der erste Jahrgang der so genannten Babyboomer-Generation 80 Jahre alt. «Wenn es gelingen soll, diese grosse Zahl an alten Menschen gesundheitlich zu versorgen, müssen wir einen neuen Ansatz haben.
Sonst ist unser Gesundheitssystem in den nächsten Jahren heillos überfordert.» So warnt der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher, selber bereits 82-jährig und Mitgründer des Betreuungsdienstes «Care-at-Home».

Spitäler bald mit Babyboomern am Anschlag?

Seine Idee: Er will das Gesundheitssystem in die Wohnzimmer der alten Menschen bringen und damit verhindern, dass die grosse Zahl der alternden Babyboomer – eine Million Menschen werden innerhalb der nächsten 19 Jahren 80-jährig – die Spitäler, Heime und Gesundheitszentren komplett an den Anschlag bringen.

Hilfe anbieten - zur Selbsthilfe

Was neu ist an Lochers Ansatz: Er will die alten Menschen zu Hause so intensiv betreuen lassen, dass sie möglichst lang nicht ins Spital oder in ein Heim müssen.
Werden alte Menschen betreut statt nur möglichst rasch und effizient aus dem Bett aufgenommen, gewaschen und angezogen, könnten sie selbständiger bleiben. Betreuung und Hilfe zur Selbsthilfe dauere zwar oft länger. Doch die Betagten würden gefördert und ihre Kräfte blieben länger erhalten. Und sie könnten länger in den eigenen vier Wänden bleiben.

Wohnzimmer-Betreuung statt Spital-Pflege

Deshalb sei es dringender, das neue Gesundheitssystem «im Wohnzimmer» statt in Regional- und Zentrumsspitälern auszubauen.
Es brauche nun auch neue Berufsbilder und Funktionen: Advanced Practice Nurses, Apotheken mit erweiterten Funktionen und niederschwellige Anlaufstellen für kleine Gesundheitsprobleme, wie sie etwa die Aprioris-Praxen bieten.
Für den Notfall- und Rettungsbereich will Locher systematisch so genannte First Responder einbinden, also Erste-Hilfe-Leister vor Ort.
Heinz Locher auf Medinside:
Warum ein Gesundheitsökonom selber zum Unternehmer wird«Ich will den Markt kehren»

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