Keine Zulassung für Alzheimer-Medikament Lecanemab

Die Europäische Arzneimittelagentur will den Wirkstoff Lecanemab nicht zulassen. Die Nebenwirkungen seien grösser als der Nutzen.

, 31. Juli 2024 um 08:37
image
Unter dem Namen Leqembi ist der Wirkstoff in den USA, Israel, Japan, China und Südkorea zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. | Eisai
Der Wirkstoff Lecanemab wird in Europa vermutlich nicht zur Behandlung von Alzheimer-Erkrankten zugelassen. Die Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency) will den Antikörper in der Europäischen Union nicht zulassen. Die Begründung lautet: Das Medikament wirke zu wenig gegen den kognitiven Abbau und wiege das Risiko schwerer Nebenwirkungen nicht auf.

Schweiz hat noch nicht entschieden

Der Wirkstoff ist unter dem Namen Leqembi in den USA, Israel, Japan, China und Südkorea zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. Der Hersteller Eisai hat bereits angekündigt, den Entscheid prüfen zu lassen.
Noch ausstehend ist der Entscheid der Schweizerischen Arzneimittelbehörde Swissmedic zum Wirkstoff Lecanemab.

«Kein Wundermittel»

Alzheimer Schweiz verweist auf die Stellungnahme von Alzheimer Europa. Deren Direktor Jean Georges ist enttäuscht: «Wir verstehen, dass Lecanemab kein Wundermittel für alle Menschen mit Alzheimer ist. Doch die Verfügbarkeit eines ersten krankheitsmodifizierenden Medikaments mit einem neuen Wirkmechanismus ist ein bedeutender Fortschritt in einem Bereich, der seit über zwei Jahrzehnten auf neue Medikamente wartet.»

Schon lange kritisiert

Lecanemab entfernt schädliche Proteinablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten. Diese sogenannten Amyloid-Plaques gelten als eine mögliche Ursache der Krankheit. Schon vor gut einem Jahr berichtete Medinside über Kritik am Wirkstoff.

Wenig Wirkung – viel Risiko

Studien haben gezeigt, dass Lecanemab den geistigen Abbau um 27 Prozent verlangsamt – das heisst um vier bis sieben Monaten im Vergleich zur Placebogruppe. Bei knapp 17 Prozent der Probanden traten Hirnschwellungen und Hirnblutungen auf, in einigen Fällen mit einem schweren Verlauf. Es gab offenbar auch drei Todesfälle im Zusammenhang mit der Lecanemab-Studie.

Noch kein Entscheid zu Donanemab

Ein weiterer Wirkstoff mit ähnlichem Wirkprinzip und mutmasslich ähnlich schweren Nebenwirkungen ist Donanemab. In den USA ist der Wirkstoff unter dem Markennamen Kisunla als Alzheimer-Medikament erhältlich. Ein Entscheid der EMA steht noch aus. Die Chancen auf eine Zulassung dürften aber mit der Ablehnung von Lecanemab gesunken sein.
  • medikamente
  • alzheimer
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Diese Folgen könnte der neue Alzheimer-Bluttest für die Branche haben

Bald kommt der neue Alzheimer-Bluttest in die Schweiz. Ärzte fragen sich, was er für Auswirkungen haben wird.

image

Roche erhält EU-Zulassung für Alzheimer-Test und Brustkrebs-Medikament

Die europäische Kommission hat Roche bereits die Zulassung für den neuen Bluttest zur Alzheimer-Diagnose erteilt.

image
Die Rechtsfrage der Woche

Vitamine und Versprechen: Was beim Verkauf von Nahrungsergänzungs-Mitteln gilt

Nahrungsergänzungsmittel füllen die Regale – in Apotheken, Supermärkten und Online-Shops. Aber viele Werbeversprechen sind unzulässig. Eine juristische Einordnung, wo die Grenzen verlaufen – und was bei der Vermarktung in der Schweiz zu beachten ist.

image

Versorgungssicherheit: Bundesrat kommt mit Gegenvorschlag

Die Volksinitiative zur medizinischen Versorgungssicherheit stösst in Bern auf Verständnis – aber nicht auf Zustimmung. Die Landesregierung präsentiert eine enger gefasste Alternative für mehr Arzneimittelsicherheit.

image

Seltene Krankheiten: Mehr Zulassungen, aber wenig Zusatznutzen bei Orphan Drugs

Über die Hälfte der neuen Medikamente bieten keinen echten Fortschritt. Und kaum je schaffen sie neue Lösungen für seltene Erkrankungen ohne Behandlungsmöglichkeiten.

image

Alzheimer-Prävention am Steuer? Navigieren könnte das Gehirn schützen

Ambulanz- und Taxifahrer sterben seltener an Alzheimer als andere Berufsleute. Dies lässt ahnen, dass das richtige Training vorbeugend wirkt.

Vom gleichen Autor

image

Krankenkasse kritisiert starke Zunahme der Computer-Tomographien

Letztes Jahr wurde bei etwa sieben Prozent der Bevölkerung mindestens eine CT des Rumpfes durchgeführt. Die Helsana ist besorgt über diese Zahlen.

image

Schaffhauser Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Kritik – Chefarzt tritt ab

Jan-Christoph Schaefer ist nicht mehr Leiter der Klinik. Fachleute bemängeln die Arbeit des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes.

image

Gutachten für die IV: Spitäler haben wenig Interesse

Es wäre eine lukrative Tätigkeit, IV-Gutachten zu erstellen. Doch die meisten Spitäler wollen nicht.