Diese Folgen könnte der neue Alzheimer-Bluttest für die Branche haben

Bald kommt der neue Alzheimer-Bluttest in die Schweiz. Ärzte fragen sich, was er für Auswirkungen haben wird.

, 23. Juli 2025 um 14:26
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Ein simpler Bluttest in einer Hausarztpraxis – hier eine Medix-Praxis – wird künftig die Alzheimer-Krankheit diagnostizieren helfen. | Medix
In der EU hat der Alzheimer-Bluttest von Roche heute seine Zulassung erhalten. Die Schweiz wird wohl nachziehen. Eine einfache Blutentnahme in der Hausarztpraxis dürfte künftig genügen, damit Ärzte «in Verbindung mit anderen klinischen Informationen Alzheimer als Ursache für den kognitiven Verfall ausschliessen können». Das kündet Roche in ihrer Mitteilung an. Dadurch könnte die Notwendigkeit weiterer bestätigender Untersuchungen bei Patienten mit negativem Testergebnis vermieden werden.
Die Vorteile des Tests: Er weist krankhafte Proteinablagerungen im Hirn ohne invasive Eingriffe nach. Gemäss Roche sollen künftig Hausärzte den Test bei Menschen mit unterschiedlichen Anzeichen kognitiven Abbaus einsetzen. Studien zeigten, dass der Test genauso effizient ist, um Anzeichen von Alzheimer zu entdecken wie eine Lumbalpunktion.

Viele Patienten wollen Test machen

Doch die einfache Alzheimerdiagnose beim Hausarzt, wie sie Roche propagiert, könnte auch negative Auswirkungen auf die Branche haben:
Hohe Nachfrage nach Tests – auch bei gesunden Patienten: Hausarzt-Praxen könnten von Patienten überrannt werden, die sich testen lassen wollen. Die Ärztin und Demenzexpertin Irene Bopp-Kistler berichtete heute morgen auf Radio «SRF»: Es seien bereits mehrere Patienten in die Praxis gekommen, die den Test machen wollten. Sie möchten wissen, ob sie später Alzheimer bekommen würden. Für Prognosen sei der Test aber nicht geeignet, betont Irene Bopp.
Nach der Diagnose die psychische Belastung: Bogdan Draganski, Leitender Arzt der Memory Clinic Bern, sagte ebenfalls gegenüber Radio «SRF»: Die Leute wären mit den Alzheimer-Bluttests überfordert. «Wir können nicht die Krankheit diagnostizieren, aber die Menschen müssen mit der Krankheit dann alleine zurechtkommen.» Dies umso mehr, als es derzeit keine nachweislich wirksamen Behandlungen gibt.

Was passiert nach positivem Test?

Auch Ärzte überfordert: Der Mangel an Behandlungsmöglichkeiten dürfte auch viele Ärzte und Ärztinnen hilflos zurücklassen. Das neuste Alzheimer-Medikament Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab von Biogen und Eiai ist in Europa nur für Alzheimer im Frühstadium zugelassen. In der Schweiz wird das umstrittene Medikament noch geprüft.
Mehr Kosten für die Krankenkassen: Der Krankenkassenverband Prioswiss konnte auf Anfrage von Medinside noch nichts über die finanziellen Folgen sagen, welche der neue Bluttest für die Krankenkassen haben wird. Der Psychiater Julius Popp, der das Zentrum für Gedächtnisstörungen und Alzheimer der Klinik Hirslanden in Zürich leitet und Professor an der Universität Zürich ist, rechnet laut der «Berner Zeitung» unter dem Strich sogar mit geringeren Kosten für Kassen; und zwar, weil teurere Untersuchungsmethoden zum Teil wegfallen. Zudem könnte die frühere Behandlung der Alzheimererkrankten Pflegekosten sparen.
Mehr Arbeit für die Hausarztpraxen: Julius Bopp entwickelt zusammen mit Kollegen Empfehlungen und Schulungen für Hausarztpraxen. Sie sollen künftig die Bluttests interpretieren und ihre Patienten bei Alzheimer oder bei anderen Demenzerkrankungen im Frühstadium weiterbehandeln können. Ansonsten befürchtet auch Popp einen Ansturm auf die spezialisierten Neurozentren und -praxen. Und das würde wiederum die Kosten in die Höhe treiben.
Ärzte im Konflikt: Der Alzheimer-Test könnte Ärztinnen und Ärzte in Konflikt mit dem Recht auf Nichtwissen bringen: Sollen sie einem Patienten den Test empfehlen und ihn mit einem positiven Resultat möglicherweise unnötig in Angst versetzen? Die Demenzspezialistin Irene Bopp sagt: «Ich würde den Test jemandem, der keine Symptome hat, eher nicht empfehlen.»
Versicherungen in Versuchung: Ein positives Testergebnis könnte schwere Folgen für den Versicherungsschutz der Betroffenen haben. Versicherungen könnten Prämien erhöhen oder bestimmte Leistungen verweigern.
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