Medis im Ausland günstig kaufen? Vergiss es

Der Ständerat will nicht, dass Kosten gespart werden, indem der Kauf von Medikamenten im Ausland zulasten der Grundversicherung ermöglicht wird.

, 18. September 2025 um 10:27
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SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen machte sich vergeblich dafür stark, um im Gesundheitswesen Kosten zu sparen. Screenshot: Parlament.
Der Bundesrat ist dafür, der Nationalrat ist dafür, der Krankenkassenverband Prio.Swiss ist dafür – nur der Ständerat ist dagegen. Und so bleibt es Schweizerinnen und Schweizern verwehrt, sich im Ausland mit günstigeren Medikamenten einzudecken und sich diese von der Krankenkasse vergüten zu lassen.

Pharmalobby hat ganze Arbeit geleistet

Die Gegner der Motion des FDP-Nationalrats Marcel Dobler argumentierten mit dem Territorialprinzip. Eine Verletzung dieses Pfeilers unseres Gesundheitssystem würde laut SVP-Ständerat Hannes Germann:
  • einen längerfristig schädlichen Einbruch ins Sicherheits- und Versorgungssystem zur Folge haben;
  • die Patientensicherheit gefährden, etwa bei der Kontrolle der Rezepte, der Begleitung der Medikamententherapie oder bei Rückrufen;
  • den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz schwächen, was in der heutigen Zeit der Zolldrohungen und den Angriffen auf die Pharmaindustrie besonders schlecht wäre;
  • das Risiko von Rezeptfälschungen und Missbräuchen erhöhen;
  • die Medikamentenversorgung in der Schweiz zunehmend gefährden;
  • es für die pharmazeutischen Firmen weniger attraktiv machen, die Zulassung und Vergütung in der Schweiz überhaupt erst zu beantragen;
  • die Autorität von Swissmedic unterlaufen;
  • das Versicherungsobligatorium grundsätzlich in Frage stellen;
  • den Einkaufstourismus fördern, was die Schweiz eigentlich nicht will.
Für SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen sind manche der genannten Befürchtungen unbegründet.
Ein Kosteneinsparpotenzial bestehe insbesondere im patentabgelaufenen Bereich für Patientinnen und Patienten, die auf Dauertherapie sind und Originalpräparate, Generika oder Biosimilars einnähmen. Dort seien die Preisunterschiede im Vergleich zur Schweiz relativ gross. In der Debatte nannte sie Blutdruckmittel oder Medikamente zur Cholesterinsenkung als Beispiele.
Unbegründet findet die Bernerin etwa die genannten Befürchtungen betreffend Rezeptfälschungen und Missbräuchen: «Ich meine, dass die Ausbildung der Apothekerinnen und Apotheker im Ausland mit derjenigen in der Schweiz vergleichbar ist.»
Für Flavia Wasserfallen bliebe die Versorgung in der Schweiz gewährleistet. Mehr noch: «Es gibt im Übrigen, wenn wir von Arzneimittelknappheit sprechen, Medikamente, die im umliegenden Ausland verfügbar sind, aber in der Schweiz nicht.» So gesehen würde mit der Umsetzung der genannten Motion die Möglichkeiten erweitert, Arzneimittel zu beschaffen.

Eingeschränkter Geltungsbereich

Auch Mitte-Ständerat Erich Ettlin plädierte für die Motion – und zwar weil der Geltungsbereich stark eingeschränkt ist. «Es ist wichtig zu sagen, dass Versandhandel nicht darunterfällt. Es geht also nicht, dass man sich über Versandhandel die Medikamente zukommen lässt. Und ganz wichtig: Das Medikament muss mit einem Rezept durch eine in der Schweiz zugelassene und praktizierende Ärztin verschrieben worden sein. Es muss ein in der Schweiz zugelassenes Medikament sein. Das schliesst schon sehr viel Missbrauch aus. Es muss auch günstiger sein als in der Schweiz.»
Trotzdem: Der Ständerat lehnte die Motion mit dem Titel «Vergütung von im Ausland gekauften günstigen Medikamenten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach KVG, um die Preise und Kosten zu senken» mit 23 zu 19 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Das Thema ist demnach – vorläufig – vom Tisch.

«Sehr, sehr kleine Umsätze»

Die Debatte über Medikamenteneinkäufe im Ausland ist für den Neuenburger SP-Ständerat Baptiste Hurni sinnbildlich für das Problem im schweizerischen Gesundheitswesen: «Jedes Mal, wenn ein Vorschlag gemacht wird, der die Gesundheitskosten ein wenig senken könnte, werden sofort alle nur denkbaren Einwände hervorgebracht: Es könnte die Qualität der Pflege infrage stellen oder eine Gefahr für die Patienten darstellen.»
Laut Hurni sollte die Schweiz aufhören, ständig nur an die wirtschaftlichen Akteure zu denken. «Wir müssen etwas tun, um die Gesundheitskosten in der Schweiz zu senken oder zumindest in den Griff zu bekommen.»
Aber was würde es überhaupt bringen, wenn Schweizerinnen und Schweizer ihren Medikamentenbedarf im nahen Ausland abdecken könnten? FDP-Nationalrat Marcel Dobler, der die Motion im September 2023 einreichte, schrieb in seiner Begründung: «Es ist notwendig, alle rasch realisierbaren Massnahmen zur Dämpfung eines weiteren Kostenanstiegs zu ergreifen». Ein starker Treiber der Gesundheitskosten seien die hohen Medikamentenpreise.
Als dann im März 2024 der Genfer SVP-Nationalrat Thomas Bläsi, selber Apotheker, in der Nationalratsdebatte seine Bedenken äusserte, erwiderte ihm Motionär Marcel Dobler: «Es geht hier um einen sehr, sehr kleinen Umsatz, wenn man im Ausland ist. Es geht nicht um Versandhandel. Es geht nicht um Parallelimporte (...) Es geht um kleine Umsätze.»

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