Zurück auf die Beine: Stimulation hilft Gelähmten beim Gehen

Ein neues Verfahren aus Lausanne verbindet Rückenmark-Stimulation mit Robotik – um bei Querschnittgelähmten die Muskelkoordination zu verbessern. Das System könnte weltweit in Reha-Kliniken eingesetzt werden.

, 13. März 2025 um 23:00
image
Bild: EPFL / Screenshot eines Trainings.
Die EPFL meldet einen hoffnungsvollen Fortschritt bei der Behandlung von Rückenmarks-Verletzungen: Eine Kombination von Neuroprothesen und Robotik kann den Patienten offenbar helfen, ihre Mobilität nachhaltig zu verbessern.
Dabei entwickelte ein Forscherteam um das Lausanner Innovationszentrum NeuroRestore ein System, bei dem ein implantierter neuroprothetischer Stimulator im Rückenmarks mit robotergestützter Rehabilitation kombiniert wird.
Ein Gerät gibt dabei zeitlich abgestimmte elektrische Impulse ab, um die Muskeln genau im Einklang mit den Roboterbewegungen zu stimulieren. Zum Einsatz kommen gängige Rehabilitations- und Trainingsgeräte wie Laufbänder, Exoskelette und stationäre Fahrräder.
Das Verfahren führt zu einer natürlichen und koordinierten Muskelaktivität während der Therapie – was danach auch eine langfristig positive Wirkung hat. «Dieser Fortschritt verbessert nicht nur die unmittelbare Mobilität, sondern fördert auch die langfristige Genesung», lautet ein Fazit des Teams um Grégoire Courtine und Jocelyne Bloch.
image
Bild: PD
«Die nahtlose Integration dieser Rückenmarkstimulation in die Rehabilitations- oder Freizeitrobotik wird die Einführung dieser Therapie in die Standardversorgung und in die Gemeinschaft von Menschen mit Rückenmarksverletzungen beschleunigen», sagt der Lausanner Neurowissenschaftler Grégoire Courtine. Er hofft darauf, dass Reha-Kliniken diesen Ansatz dereinst leicht – und weltweit – in bestehende Therapieprotokolle integrieren können.
Denn die Technologie arbeitet mit kabellosen Sensoren, welche die Bewegungen der Gliedmassen in Echtzeit erfassen und die Stimulation entsprechend anpassen. Dies soll eine flexible und individuell anpassbare Rehabilitation ermöglichen.

Konkret nutzt das System eine biomimetische epidurale Stimulation; die elektrischen Impulse ahmen also natürliche Nervensignale nach. Die Idee ist, dass diese Methode für eine verbesserte Muskelkoordination sorgt.
Das System wurde inzwischen in Rehabilitationszentren getestet. Auch ausserhalb eines klinischen ‚Settings’ testeten es die Probanden: Sie trainierten beispielsweise mit einem Rollator oder fuhren Velo.
  • Nicolas Hankov, Miroslav Caban, … Jocelyne Bloch, Grégoire Courtine et al.: «Augmenting rehabilitation robotics with spinal cord neuromodulation: A proof of concept», in: «Science Robotics», 12. März 2025.
  • doi: 10.1126/scirobotics.adn5564
Der Cluster um NeuroRestore und die Lausanner Hochschulen erregte in den letzten Jahren mehrfach Aufsehen durch Ergebnisse, die bei Querschnittgelähmten viel Hoffnung weckten. Im Dezember 2024 veröffentlichte die Lausanner Forschungsgruppe die Erkenntnis, dass eine bestimmte Gehirnregion womöglich so stimuliert werden kann, dass inkomplett Querschnittgelähmte wieder besser gehen können. Nach ersten Tierversuchen waren bei zwei inkomplett querschnittgelähmten Personen Elektroden in den lateralen Hypothalamus eingesetzt worden – und diese stimulierten die Hirnregion elektrisch.
Laut dem Bericht in «Nature Medicine»  verbesserten diese Vorgänge das Gehen: Der erste Proband verlängerte die auf einem bestimmten Parcours zurückgelegte Strecke von 26 auf 32 Meter, der andere Proband von 40 auf 81 Meter.
Ein Jahr davor, im November 2023, hatten die Forscher von EPFL und CHUV verkündet, dass sie mit einer Neuroprothese die Gehprobleme eines Parkinson-Patienten lindern konnten. Dabei war einem damals 63-jährigen Mann ein Implantat ins Rückenmark eingesetzt worden. Laut dem Bericht in «Nature Medicine» konnte er danach wieder flüssig und sturzfrei laufen.

  • forschung
  • reha
  • EPFL
  • CHUV
  • neurowissenschaften
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Ein Name für alle Rehakliniken: Klinikgruppe Valens

Zwei Jahre nach der Fusion schliesst die grösste Schweizer Reha-Gruppe ihren Markenprozess ab. Unter der Dachmarke Valens erhalten alle Standorte ein einheitliches Gesicht.

image

Empa-Forschende entwickeln selbsthaftende künstliche Hornhaut

Forschende der Empa und der Universität Zürich haben eine künstliche Hornhaut entwickelt, die künftig Spendergewebe ersetzen könnte.

image

«Eine frühzeitige Blutverdünnung nach einem Schlaganfall ist sicher und wirksam»

Im Interview erklärt Neurologe Urs Fischer, Chefarzt am Inselspital Bern, was die Ergebnisse der CATALYST-Studie für die klinische Praxis bedeuten – und warum alte Leitlinien überdacht werden sollten.

image

Das Ludwig-Institut bleibt in Lausanne

Zehn Jahre nach der Gründung der Partnerschaft mit dem CHUV und der Uni Lausanne wird das Ludwig-Institut in die Universität integriert. Es soll mehr über Immuntherapie und Tumor-Mikroumgebung geforscht werden.

image

Universitätsmedizin bleibt Männersache – trotz Lippenbekenntnissen

In der Westschweiz liegt der Frauenanteil in Top-Arztpositionen höher als in der Deutschschweiz. Eine neue Auswertung der Universitätsspitäler zeigt regionale Unterschiede – und ein nach wie vor tiefes Gesamtniveau bei den Spitzenpositionen.

image

Klinik Oberwaid: Leitungswechsel im Management

Die Klinik Oberweid trennt sich von Matthias Zehringer wegen «divergierender Managementvorstellungen». Seine Nachfolgerin heisst Michaela Wöhlermann.

Vom gleichen Autor

image

Diese 29 Erfindungen machen die Medizin smarter

Das US-Magazin «Time» kürte die wichtigsten Innovationen des Jahres aus dem Gesundheitswesen. Die Auswahl zeigt: Fortschritt in der Medizin bedeutet heute vor allem neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Methode.

image

Privatklinik Aadorf: Führungswechsel nach 17 Jahren

Die Privatklinik Aadorf bekommt einen neuen Leiter: Michael Braunschweig tritt die Nachfolge von Stephan N. Trier an.

image

Baselbieter Kantonsparlament stützt UKBB

Das Universitäts-Kinderspital beider Basel soll frische Subventionen erhalten, um finanzielle Engpässe zu vermeiden. Der Entscheid im Landrat war deutlich. Doch es gibt auch Misstrauen.