Die Revision des Gesundheitsberufe-Gesetzes und des KVG hat für viele Gesundheitsberufe neue Hürden geschaffen. Wer heute als Therapeut eigenständig arbeiten will, braucht vom Kanton eine Berufsausübungsbewilligung (BAB). Und mit der Krankenkasse abrechnen dürfen grundsätzlich nur noch Fachpersonen, die über eine solche Bewilligung verfügen.
Genau hier beginnt das Problem: Ausländische Fachleute müssen zwei Jahre Berufserfahrung in der Schweiz vorweisen, um eine BAB zu erhalten. Wird die Rechtslage streng ausgelegt, kommt das für Therapeuten mit ausländischem Diplom faktisch einem Berufsverbot gleich – und auch Berufseinsteiger stehen vor verrammelten Türen. Um die Lücke zu umgehen, werden voll ausgebildete Therapeuten ohne BAB kurzerhand als «in Ausbildung» eingestuft; trotz abgeschlossener Qualifikation.
«Übersteigerte Aufsichtspflichten»
Die Allianz SwissODP, die gut 170 Physiotherapie-Unternehmen vertritt, fordert nun die Kantone zum Handeln auf. Die BAB solle auf leitende Physiotherapeuten beziehungsweise deren Stellvertretungen beschränkt werden. Zudem müssten angestellte, diplomierte Therapeuten unter fachlicher Leitung auch ohne eigene BAB abrechnen dürfen. Auf «übersteigerte Aufsichts- und Überwachungspflichten für Leitende Therapeuten» sei zu verzichten, so SwissODP.
Die aktuelle Situation sei für viele Praxen unhaltbar, warnt der Verband: Sie gefährde sowohl die Ausbildungsmöglichkeiten als auch die Versorgung. «Wir ersuchen Sie deshalb eindringlich, im Interesse der Patientinnen und Patienten sowie der gesamten Gesundheitsversorgung rasch korrigierende Massnahmen umzusetzen», schreibt SwissODP an alle Gesundheitsdirektionen sowie an die GDK. Eine interkantonale Koordination sei dringend nötig, um einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Gerichtswege
Tatsächlich liegt ein Hauptproblem wohl in der unterschiedlichen Lagebeurteilung. Physioswiss, der Berufsverband, interpretiert die Bundesrechts-Lage so, dass die Leistungen von Berufseinsteigern und ausländischen Fachkräften spätestens nach der SRK-Anerkennung ihres Diploms sehr wohl abgerechnet werden können. «Einzelne Kantone erteilen jedoch mündlich nach wie vor nicht korrekt Auskunft oder ihre Merkblätter enthalten missverständliche Formulierungen», kritisiert der Physioswiss.
Man arbeite intensiv daran, auf kantonaler Ebene Klarheit zu schaffen. «Wo nötig, zögern wir nicht, auch den gerichtlichen Weg zu beschreiten», schreibt Physioswiss: «Inzwischen konnten in einigen Kantonen Erfolge oder zumindest Kompromisse erzielt werden – etwa durch den Gerichtsentscheid im Kanton Schwyz oder durch Anpassungen im Kanton Zürich.»
Was ist schon ein Diplom?
SwissODP nennt nun Zürich und Schwyz als Beispiele, wo die Abrechnung mit den Krankenkassen schlicht durch den erwähnten Trick ermöglicht wird, dass Therapeuten wie Auszubildende behandelt werden. Auch Basel gehört dazu. Im Wallis erteilt der Kanton pragmatisch auch BAB an Angestellte mit weniger als zwei Jahren Berufserfahrung. In Genf und im Kanton Waadt wiederum wurdeeine umfassende Liste der beruflichen Situationen erstellt, die eine BAB erfordern.
Nochmal anders ist die Lage in Neuenburg: Dort gilt die Bewilligungspflicht für alle Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten – mit Ausnahme von Berufseinsteigern in den ersten beiden Jahren. Zudem dürfen Unternehmen höchstens 50 Prozent junge Diplomierte beschäftigen (mit der Folge, dass der Weggang einer erfahrenen Person dazu zwingen kann, einen Berufseinsteiger zu entlassen).
Klar scheint also bloss, dass es mehr Klarheit braucht.
Und bemerkenswert scheint, dass das BAG – das die Vorgaben des Bundesgesetzes so deutet – sowie einzelne Kantone recht klar signalisieren, wie wenig Respekt ihre Juristen vor einem anerkannten Therapeuten-Berufsdiplom haben. Ohne Zusatz-Bewilligung und Zusatz-Überwachung geht es offenbar nicht.