San Raffaele Swiss: Mailänder Spitalkonzern startet in der Schweiz

Italiens führende Privatklinik-Gruppe plant eine Poliklinik in Lugano. Sie könnte noch dieses Jahr den Betrieb aufnehmen.

, 24. Juli 2024 um 22:40
image
Duomo der Gesundheit: Das Ospedale San Raffaele in Mailand  |  Bild: PD
Die neue Gesellschaft heisst San Raffaele Swiss SA: Firmensitz in Lugano, Aktienkapital 100’000 Franken, der Eintrag ins Handelsregister erfolgte Ende Januar.
Laut dem Dokument bezweckt das Unternehmen die «Erbringung medizinischer Leistungen sowie Bereitstellung von Räumlichkeiten, Personal und sämtlicher medizinischer Infrastruktur und Maschinen, die für die Ausübung der Arztpraxis und des Arztberufes erforderlich sind». Zudem kann es «Zweigniederlassungen eröffnen und/oder sich an anderen Unternehmen und Betrieben im In- und Ausland beteiligen.»
Anders gesagt: Der Gruppo San Donato, kurz GSD, will in der Schweiz aktiv werden.
Es handelt sich dabei um die führende private Klinikkette Italiens, zu der unter anderem die bekannte Mailänder Ospedale San Raffaele gehört. Wie ernst es die Italiener meinen, zeigt der Verwaltungsrat ihrer Tessiner Tochergesellschaft: Das Gremium ist bestückt mit führenden Vertreterinnen und Vertretern von GSD.

Generalstab, nicht Infanterie

Als Präsident von San Raffaele Swiss fungiert Kamel Ghribi, ein Financier, der im Board mehrerer GSD-Spitäler sitzt. Als Vizepräsidentin wurde anfänglich Gilda Gastaldi bestimmt, welche die Besitzerfamilie vertritt. Und auch sonst ist das Aufsichtsgremium breit besetzt – nicht nur mit einem Tessiner Treuhänder (das auch), sondern noch mit dem Direktor des Ospedale San Raffaele, Marco Centenari; mit der Forschungschefin desselben Spitals, Anna D'Amelio Einaudi; mit einem Neurologen des Wissenschaftsinstitusts San Raffaele; mit dem Direktor der GSD-Klinik in Brescia.
«Im Tessin schickt die San-Donato-Gruppe nicht ihre Infanterie vor, sondern setzt gleich den Generalstab ein»: So formulierte es das Tessiner Radio RSI, als es die Registrierung der AG in einem Beitrag vermeldete.
Das war im Februar. Seither trat Gilda Gastaldi wieder aus – und wurde im Verwaltungsrat durch Alberto Zangrillo ersetzt. Der Anästhesist und Intensivmediziner wurde in Italien bekannt als Leibarzt von Silvio Berlusconi. Im Hauptberuf leitet Zangrillo die Anästhesie-Abteilung des Ospedale San Raffaele.
Alberto Zangrillo in einem TV-Interview über den Gesundheitszustand des damaligen Ministerpräsidenten Berlusconi.
All das deutet auf hochfliegende Pläne hin. Nachdem sich GSD bislang bedeckt gab, teilt eine Sprecherin des Konzerns nun mit, das San Raffaele Swiss werde ein Poliambulatorium, das «der Stadt Lugano die klinische Exzellenz des San-Raffaele-Spitals in Mailand eröffnen wird».
Und weiter: «Den Patienten stehen Fachärzte und Ultraschalluntersuchungen durch Spezialisten des Mailänder Krankenhauses zur Verfügung.»
Die wichtigsten angebotenen Fachgebiete werden sein: Innere Medizin und Diabetologie, Endokrinologie und Ernährung, Dermatologie, Immunologie und Rheumatologie, Gynäkologie und Fruchtbarkeitsmedizin, Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie, Präventionsmedizin und Urologie.
Schon bald abgeschlossen seien die Arbeiten am Gebäude, in dem das neue Gesundheitszentrum untergebracht werden soll. Und falls es mit der Bewilligung durch die Behörden klappt, könnte der Betrieb noch dieses Jahr starten.

In der Hirslanden-Liga

Im Tessiner Privatsender «Libera TV» hatte Franco Denti, der Präsident der kantonalen Ärztegesellschaft, zuvor schon vermutet, dass das Angebot der italienischen Gruppe wohl auf Privatpatienten zielen dürfte – zum einen, weil der Weg auf die Spitalliste respektive zur Krankenkassen-Zulassung enorm aufwändig ist. Und zum anderen, weil hier wohl tatsächlich noch Potential liegt.
Ähnlich sah es der CEO der Tessiner Kantonsspitalgruppe EOC, Glauco Martinetti: Schliesslich gehöre das Tessin zu jenen Kantonen, deren Bewohner besonders ungern ein Spital in anderen Landesgegenden aufsuchen.
Der Gruppo San Donato führt gut 60 Standorte in Norditalien, darunter neben mehreren Akutspitälern auch Ambulatorien, Diagnostikzentren, Reha- und Dentalkiniken. Hinzu kommen Niederlassungen in Rumänien und Dubai. Der Umsatz beträgt knapp 2 Milliarden Euro; der GSD spielt also in derselben Grössenliga wie die Hirslanden-Gruppe.
Sein «Flaggschiff» ist das Ospedale San Raffaele in Mailand, das der Gruppo San Donato 2012 übernahm und das jährlich gut 50’000 stationäre Patienten behandelt. Ins Schlaglicht der Öffentlichkeit kam es zuletzt, als Silvio Berlusconi dort verstarb; oder als als sich der Formel-1-Manager Flavio Briatore dort einer Herzoperation unterzog, unter Leitung notabene von Francesco Maisano.
Der umstrittene Herzchirurgie-Chefarzt des Universitätsspitals Zürich wechselte im Frühjahr 2021 zum GSD-Spital in Mailand.
Allerdings ist Herzchirurgie nicht im Angebot von San Raffaele Swiss.
  • Tessin
  • Ambulant
  • spital
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

image

Spitalhygiene: Geschlechtsneutrale WCs bergen ein Risiko

In schottischen Krankenhäusern wurden Damen-, Herren- und Unisex-Toiletten auf Keime geprüft. Heraus kamen drastische Unterschiede.

image

Eine Zusammenarbeit, vernetzt wie das Gefässsystem

Wie in den meisten anderen medizinischen Fachbereichen setzt das Spital Lachen auch in seinem Gefässzentrum auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie garantiert den Patientinnen und Patienten eine professionelle und ganzheitliche Diagnostik, Behandlung und Nachbehandlung.

image

Ressourceneffizienz bei Schweizer Spitälern

Interview von Unite mit Andrea Raida M.Sc., Projektleiterin Health Care Logistics am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, über Ergebnisse des Forschungsprojekts «Green Hospital»

image

Spital Lachen rückt die Gefässmedizin ins Zentrum

Gefässerkrankungen sind verbreitet und können Menschen jeden Alters betreffen. Unbehandelt können schwerwiegende Komplikationen wie Gefässverschlüsse oder Organschäden folgen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist essenziell – genau hier kommt das Gefässzentrum des Spitals Lachen ins Spiel.

image

Die digitalisierte Patient Journey in der Lindenhofgruppe

Die digitale Patient Journey ist in Schweizer Spitälern etabliert. Sie erleichtert Patient:innen die Planung, Vorbereitung und Begleitung rund um den Spitalaufenthalt und entlastet das medizinische Personal – besonders bei psychisch belastenden Situationen im Vorfeld.

Vom gleichen Autor

image

Diese 29 Erfindungen machen die Medizin smarter

Das US-Magazin «Time» kürte die wichtigsten Innovationen des Jahres aus dem Gesundheitswesen. Die Auswahl zeigt: Fortschritt in der Medizin bedeutet heute vor allem neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Methode.

image

Privatklinik Aadorf: Führungswechsel nach 17 Jahren

Die Privatklinik Aadorf bekommt einen neuen Leiter: Michael Braunschweig tritt die Nachfolge von Stephan N. Trier an.

image

Baselbieter Kantonsparlament stützt UKBB

Das Universitäts-Kinderspital beider Basel soll frische Subventionen erhalten, um finanzielle Engpässe zu vermeiden. Der Entscheid im Landrat war deutlich. Doch es gibt auch Misstrauen.