Psychotherapie: Krankenkassen wollen keine raschere Fallbeurteilung

Sinken die Gesundheitskosten, wenn die Ärzte früher eine Kostengutsprache durch die Versicherung einholen müssen? Die Frage stellt sich bald im Nationalrat.

, 12. September 2025 um 09:43
image
Die Kosten der psychologischen Psychotherapie sind im ersten Halbjahr 2023 gegenüber den Kosten der delegierten Psychotherapie der gleichen Periode 2022 um 35 Prozent gestiegen. Bild: Nik Shuliahin 💛💙 on Unsplash
Wie lässt sich das Kostenwachstum in der Psychotherapie eindämmen? Zum Beispiel, indem nach 15 Sitzungen die Kostengutsprache durch die Krankenversicherung erforderlich wird.
Dies meint zumindest Mitte-Nationalrat Benjamin Roduit: Seine Motion dazu dürfte in der übernächsten Woche im Nationalrat behandelt werden.
Schon heute ist die Dauer der psychologischen Psychotherapie beschränkt, um ungerechtfertigte Mengen- und Kostenausweitungen einzuschränken. Der anordnende Arzt muss nach 15 Sitzungen über eine erneute Anordnung entscheiden. Aber erst nach 30 Sitzungen ist eine Kostengutsprache der Krankenversicherer erforderlich.

Zusätzlicher Aufwand

Ob eine frühere Gutsprachepflicht bereits nach 15 Sitzungen tatsächlich zu einer wirksamen Kostenkontrolle führen würde, ist fraglich. Unbestritten ist aber, dass sie zusätzlichen administrativen Aufwand für Leistungserbringer und Krankenversicherer mit sich bringen würde. Dies ist auch ein Grund, weshalb der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfiehlt.
Selbst die Krankenversicherer, die sonst keine Gelegenheit auslassen, um das Kostenwachstum zu bremsen, sprechen sich gegen den Vorstoss aus: Sie befürchten unnötige zusätzliche Verwaltungskosten.
Wie Helsana im aktuellen Bulletin schreibt, brauchen 80 Prozent der Patienten jährlich weniger als 15 Sitzungen; nur 6 Prozent überschreiten 30 Sitzungen. Der Kostenanstieg entstehe vor allem durch mehr Betroffene – nicht durch zu lange Therapien. Helsana wörtlich: «Statt blinder Regulierung braucht es faktenbasierte Lösungen.»

Handlungsbedarf

Dennoch sieht der Kassenverband Prio.Swiss Handlungsbedarf. Der vom Bundesamt für Gesundheit in Auftrag gegebene zweite Monitoringbericht vom Juli 2025 zeigt: Die markanten jährlichen Mehrkosten lassen sich unter anderem auf eine Verlagerung psychotherapeutischer Leistungen aus dem Zusatzversicherungsbereich in die Grundversicherung zurückführen – sowie auf die deutlich höheren Tarife im KVG.
Aus Sicht von Prio.Swiss ist eine Anpassung der provisorischen Arbeitstarife durch die Kantone längst überfällig – basierend auf aktuellen Kostendaten.

Sache der Tarifpartner

Im aktuellen Sessionsbrief schreibt der Verband: «Darüber hinaus sehen wir uns und unsere Tarifpartner in der Pflicht, in den Verhandlungen Tarife und Preise festzulegen, die wirtschaftlich sachgerecht sind.»
Seit Juli 2022 gilt in der psychologischen Psychotherapie das Anordnungsmodell. Seither sind die Kosten zulasten der obligatorischen Grundversicherung (OKP) überdurchschnittlich gestiegen.

Plus 35 Prozent

Gemäss dem im Juli 2025 veröffentlichte Monitoringbericht sind die Kosten der psychologischen Psychotherapie im ersten Halbjahr 2023 gegenüber den Kosten der delegierten Psychotherapie der gleichen Periode 2022 um 96 Millionen respektive 35 Prozent angestiegen.
Wie hier beschrieben, ist das nicht allein mit dem Mengenwachstum zu erklären, denn in der psychologischen Psychotherapie kommt auch ein höherer Amtstarif pro Zeiteinheit zur Anwendung. Dieser ist im Schweizer Durchschnitt 16 Prozent teurer als der alte Tarif für die delegierte Psychotherapie.
  • psychotherapie
  • Gesundheitskosten
  • politik
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Nun lässt der Bund das Kostenwachstum bei den Krankenkassen-Leistungen überwachen

In einem Monat beginnt die Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring EKKQ, die Preisentwicklung im Gesundheitswesen zu beobachten.

image

Beschwerde gegen das SIWF: Der medizinische Nachwuchs verliert die Geduld

Eine Gruppe von Nachwuchsmedizinern geht vor das Bundesverwaltungsgericht: wegen «ungerechtfertigter Verzögerung» bei der Vergabe von Facharzttiteln.

image

Für Apotheken wird der Verkauf von Medikamenten der Kategorie B einfacher

Die Apotheken sollen nicht unter der Umteilung der Arzneimittel-Kategorien leiden. Der Bundesrat erleichtert ihnen deshalb die obligatorische Dokumentation.

image

Bargeld vor der Operation? Die Patientenstelle will es wissen

Wie oft kommt es vor, dass Ärzte vor geplanten Eingriffen diskret Geld verlangen? Die Patientenstelle Zürich startet dazu einen Aufruf – auch um Muster zu erkennen.

image

Nicht übertragbare Krankheiten dominieren die Gesundheitskosten

Nicht übertragbare Krankheiten wie Herzleiden, Krebs und neurologische Erkrankungen verursachten 2022 rund 65,7 Milliarden Franken – ein Anstieg der Gesamtkosten um 37 % innerhalb von zehn Jahren.

image

Suva soll Asbestopfer-Fonds mitfinanzieren

Die Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer (EFA) hat zu wenig Geld. Nun könnte es Unterstützung von der Suva geben.

Vom gleichen Autor

image

Das Kostenfolgemodell im Zentrum des Kostendämpfungspaket

Interpharma reagiert scharf auf die Veröffentlichung des Vernehmlassungsverfahrens zum Kostendämpfungspaket.

image

Bagatellgebühr ist keine Bagatelle mehr

In der bevorstehenden Wintersession entscheidet das Parlament nicht einfach über die Gebühr für Bagatellfälle, sondern über die Gebühr für alle Behandlungen im Spitalnotfall ohne entprechende Überweisung.

image

Von Herzen II: Thierry Carrel blickt zurück

Mit seinem zweiten Buch zieht der Freiburger Herzchirurg Bilanz. Persönlich, kritisch – und musikalisch begleitet vom Klang eines Alphorns.