Uwe E. Jocham: Alles tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben

«Wir haben gar keine Wahl. Wir werden unsere Lücken nicht länger mit Personal aus dem Ausland füllen können», sagt der Chef der Insel Gruppe.

, 21. Februar 2019 um 05:30
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Uwe E. Jocham bleibt bei seinen hohen Ansprüchen: Die Insel Gruppe soll eine weltweit führende Spitalgruppe mit universitärer und integrierter Medizin werden. «Sie müssen sich hohe Ziele stecken, sonst lassen sich die Mitarbeiter nicht motivieren», sagt der Direktionspräsident der Insel Gruppe im heute veröffentlichten Interview mit der «Handelszeitung».  
Gleichzeitig müssten die Ziele erreichbar sein; und das seien sie auch: «Wir streben nicht nur bei den universitären Leistungen eine führende Rolle an, sondern auch in der Versorgung – durch wegweisende Qualität, Forschung, Innovation und Bildung. Das ist mit unserem Know-how und unserer Kompetenz realistisch.»
Die früheren Pläne, die Pflege aus der Insel-Konzernleitung zu werfen, kritisiert Jocham deutlich: «Das war psychologisch höchst ungeschickt. Man sagte: Die Pflege gehört sozusagen zur Ärzteschaft. Das war ein Fehler.»

48 Prozent Frauen im Kader

Denn das Personal sei der strategische Faktor schlechthin im Gesundheitsbereich. Es sei heute schon ein kritischer Punkt für alle Spitäler, und die Branche laufe hier in auf eine Durststrecke zu. «Wir haben gar keine Wahl. Wir werden unsere Lücken nicht mehr wie bis anhin mit Personal aus dem Ausland füllen können», so Jocham im HZ-Interview. «Deutschland spürt, dass die Leute aus Polen nicht mehr kommen. Wir spüren, dass die Leute aus Deutschland nicht mehr kommen oder sogar wieder zurückgehen. Wir müssen unser eigenes Personal ausbilden, daran wird kein Weg vorbeiführen.»
Die Insel-Gruppe müsse aber alles tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben: Kinderkrippen; die Möglichkeit zu Homeoffice und Teilzeitarbeit; Gleichstellung.
Auf Nachfrage wollte Jocham den «Fall Urwyler» nicht weiter kommentieren («ein laufendes Verfahren» – «Zudem liegt der Fall weit zurück»). Aber grundsätzlich habe die Insel Gruppe in den letzten Jahren «gewaltige Fortschritte gemacht bei der Gleichstellung. Der Anteil der Ärztinnen im oberen Kader stieg von 31 Prozent im Jahr 2012 auf 41 Prozent im Jahr 2018. Der Anteil der Frauen im Kader über alle Berufsgruppen beträgt sogar 48 Prozent.»
Es gebe kaum ein anderes Schweizer Unternehmen, «in dem auf vergleichbarer Stufe fast die Hälfte der Angestellten weiblich ist».

Kaum Kündigungen

Zugleich wurde letztes Jahr einer der Insel-Klinikdirektoren mit dem Preis für Chancengleichheit der Universität Bern ausgezeichnet: «Wir haben dazu eine Mitteilung gemacht, die von den Medien aber leider praktisch nicht aufgenommen wurde.» (mehr dazu hier)
Der vor Weihnachten angekündigte Abbau von 150 Stellen habe sich nicht in einem Exodus niedergeschlagen. «Wir sind zuversichtlich, dass wir den Abbau über Fluktuationen – die Rate liegt bei uns im Schnitt bei 10 Prozent – realisieren können und dass es nicht zu Kündigungen kommen wird.»

Die Konsolidierung geht weiter

Grundsätzlich sei für die Spitäler klar, dass sie mit weniger Mitteln eine bessere Versorgung gewährleisten müssen – und dies erachtet Jocham auch als möglich. Doch dann müssten historisch gewachsene Strukturen aufgebrochen werden.
Für die Insel Gruppe heisst das: «Wir haben heute über sechzig Profitcenter in unserem Netzwerk. Über sechzig einzelne Silos – das wird nicht gehen. Aber wenn wir uns intelligent organisieren, dann bleiben wir wettbewerbsfähig.»
Er sei zuversichtlich, dass sich Spitäler in der Schweiz wirtschaftlich und qualitativ hochstehend betreiben lassen.
«Auch hier gilt: Wir haben gar keine andere Wahl. Wir müssen unsere Investitionen heute vollumfänglich selber finanzieren und wir stehen mitten in einer Phase gros­ser Neubauten zum Ersatz alter Infrastrukturen.»
Doch es sei klar, dass die Konsolidierung weitergeht: «Kleine Spitäler, die von allem etwas anbieten, werden schliessen oder in grösseren Verbünden aufgehen. Wir müssen die Dienstleistungen günstiger und besser anbieten.»
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