Pflege: Erste Klinik führt 37-Stunden-Woche ein

Das Sanatorium Kilchberg erhofft sich vom Stundenabbau im Schichtdienst stabilere Teams – und weniger offene Stellen.

, 20. März 2025 um 11:37
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«Vorreiterrolle»: Das Sanatorium in Kilchberg am Zürichsee  |  Bild: PD
Das Sanatorium Kilchberg führt im April die 37-Stunden-Woche für Pflegemitarbeitende im Schichtdienst ein. Damit will die Privatklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik «dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenwirken und sich als attraktive Arbeitgeberin positionieren», so die Mitteilung aus Kilchberg.
«Mit diesem Projekt nehmen wir eine Vorreiterrolle in der psychiatrischen Pflege ein», sagt Pflegedirektor Harald Müller.
In der Folge sinkt die tägliche Arbeitszeit um eine Stunde – bei vollem Lohnausgleich. In den letzten Monaten testete das Sanatorium Kilchberg sowohl innerhalb der Behandlungsteams als auch bereichsübergreifend Prozesse und Strukturen, um die Behandlungsqualität trotz des Stundenabbaus zu sichern und Arbeitsverdichtung oder mehr Stress beim Personal möglichst zu minimieren.
Die Klinikleitung erwartet durch die 37-Stunden-Woche «eine signifikante Verringerung offener Pflegestellen, eine höhere Stabilität in den Teams, weniger kurzfristige krankheitsbedingte Absenzen sowie eine höhere Mitarbeitendenzufriedenheit durch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben».
Das Sanatorium Kilchberg beschäftigt rund 650 Personen. Mit seinen zehn psychiatrischen Stationen mit teilstationären Angebot betreibt es 184 Betten.

«Run to the bottom»?

Im Hintergrund steht einerseits, dass die Zürcher Spitäler und Privatkliniken ab Sommer geschlossen darauf verzichten, in der Pflege Temporärpersonal zu rekrutieren. Sie müssen also auch den Angestellten entgegenkommen, um die Fluktuation und die «Flucht aus dem Schichtdienst» zu bremsen.
Und ganz allgemein experimentieren die Spitäler und Kliniken seit längerem mit neuen Ferien-, Inkonvenienz- und Arbeitszeit-Modellen.
Zu reden gab 2022 das Experiment des GZO Spitals Wetzikon, das damals – noch während der Covid-Phase – eine 37,8-Stunden-Woche in der Pflege einführte, ebenfalls bei gleichbleibendem Grundlohn. Davon profitierten rund 260 Angestellte.
Der Wechsel wirkte sich positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus, allerdings musste das GZO Spital etwa 26 neue Stellen schaffen, was zu höheren Kosten führte. Die langfristige Weiterführung des Modells ist unsicher (was auch mit der besonders bedrohten finanziellen Lage des GZO Spitals Wetzikon zu tun hat).
Das Sanatorium Kilchberg leitete letztes Jahr bereits diverse Massnahmen ein, um seine Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu steigern. Zum Beispiel bietet es fünf Joker-Tage für Pflegemitarbeitende im Schichtdienst, eine zusätzliche Entschädigung für kurzfristige Dienstübernahmen sowie die Möglichkeit, bis zu zehn zusätzliche Ferientage pro Jahr zu erwerben.
Die 37-Stunden-Woche wird nun in einer 12-monatigen Pilotphase getestet, die Massnahmen in den Teams werden bei Bedarf noch angepasst.
  • Arbeitszeit-Modelle: Erfolgsmeldung aus Bülach. Wer mehr Nachtschichten leistet und flexibel einspringt, wird honoriert: Die Idee des Spitals Bülach rechnet sich offenbar – in mehrerlei Hinsicht.
  • 4-Tage-Woche? Ach was: 4-Stunden-Tage! In Deutschland setzt eine Klinik zur Personalgewinnung auf maximale Flexibilität.
  • Diese Leute haben jetzt 9 Wochen Ferien. Eine deutsche Klinik testet einen frischen Ansatz gegen den Personalmangel: mehr Urlaub fürs gleiche Geld.

  • arbeitswelt
  • sanatorium kilchberg
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