Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften macht vor keinem Beruf mehr halt: Auch alle Gesundheitsberufe sind betroffen. Eine vom Schweizerischen Verband freier Berufe (SVFB) in Auftrag gegebene
Befragung zeigt, dass der Fachkräftemangel bei Selbständigen mittlerweile als eine der grössten Herausforderungen angesehen wird.
Mehr als die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen in den freien Berufen bleiben über ein halbes Jahr unbesetzt. Die Arbeitsbelastung für die übrigen Berufstätigen ist daher entsprechend hoch: Wochenarbeitszeiten von 50 Stunden sind üblich, was etwa 10 Stunden über dem gewünschten Niveau der meisten Mitglieder liegt, die mit ihrem derzeitigen Arbeitspensum nicht zufrieden sind.
Fast 70 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass der Mangel in den nächsten zwölf Monaten anhalten oder sich sogar noch verschärfen wird. Viele begründen dies mit dem Mangel an Absolventen: Die Ausbildung bringe nicht genügend junge Fachkräfte hervor, um die Nachfrage zu decken.
«Flaschenhals» ist der Berufseinstieg
Im Rahmen der Studie wurden auch Medizinstudenten befragt. Sie wiesen eher auf Flaschenhälse beim Berufseinstieg hin. Sie berichteten von Schwierigkeiten, eine erste Stelle zu finden, da diese Stellen oft lange im Voraus – oft sind es zwei bis drei Jahre – vergeben sind, was ein unrealistischer Planungshorizont ist.
Das Problem liege demnach nicht an der fehlenden Anzahl Ausgebildeter oder deren Qualifikation, sondern an strukturellen Hürden. Zudem bereite das Studium unzureichend auf den klinischen Alltag vor, insbesondere in Bezug auf administrative Aufgaben wie das Schreiben von Berichten oder den Umgang mit Versicherungen.
Der Mangel an Gesundheitsfachkräften stellt die Praxen vor zahlreiche Herausforderungen: Erhöhter Druck, Stress, Sorgen und längere Wartezeiten für die Patienten wirken sich letztlich auf die Attraktivität der freien Praxis aus.
Mehreren befragten Fachkräften zufolge wird der Mangel an qualifiziertem Personal in öffentlichen Spitälern manchmal durch unterbezahlte Praktikanten ausgeglichen – was aber zu Unzufriedenheit innerhalb der Teams führt und das Risiko von Fehlern erhöht. Auch in kleinen, unabhängigen Einrichtungen sei die Verteilung der Arbeitslast oft schwierig, was den Druck auf jeden Einzelnen erhöhe.
Diese Überlastung trägt direkt zu einem der wichtigsten Faktoren bei, die den Mangel nach Ansicht der Befragten verschärfen: dem Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben.
Selbständigkeit wird zum Risiko
Die Selbstständigkeit wird zwar nach wie vor als beruflich erfüllend empfunden. Doch die Rentabilität von Arztpraxen sinkt. Die Tarif werden als unzureichend empfunden, die Kosten und der Verwaltungsaufwand steigen.
Laut der Studie würden diese Zwänge viele junge Mediziner davon abhalten, sich selbständig zu machen. Ein Arzt bezeugt: «Aufgrund der steigenden administrativen Aufgaben, der zum Teil sinnlosen Hygienevorschriften und ein wenig hilfreiches Heilmittelgesetz bezüglich Medikamenten-Abgabe, sowie wegen sinkenden Tarifen und gleichzeitig extrem zunehmenden Kosten für Zubehör und Einmalgebrauch-Gegenstände, steigenden Personalkosten und Fachkräftemangel bei den Arzthelferinnen wird es unattraktiv für junge Kollegen und Kolleginnen das Risiko der Selbstständigkeit zu wagen.»
Die Attraktivität des Berufs steigern
Für einen großen Teil der befragten Fachkräfte ist die Verringerung des Verwaltungsaufwands eine der dringendsten Massnahmen, die zur Bekämpfung des Fachkräftemangels umgesetzt werden müssen. Fast ein Viertel der Befragten nannte dies als oberste Priorität. Danach folgen finanzielle Anreize und attraktivere Arbeitsbedingungen.
Die Medizinstudierenden ihrerseits sehen in der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz einen vielversprechenden Hebel, um Verwaltungsaufgaben zu vereinfachen und wieder mehr Zeit für den Kontakt mit den Patienten zu gewinnen. Sie befürworten auch flexiblere Arbeitsmodelle, die ihrer Meinung nach wichtig sind, um den Nachwuchs an sich zu binden.
Der SVFB fordert daher konkrete Maßnahmen wie mehr Ausbildungsplätze, höhere Tarife, eine stärkere Digitalisierung der Prozesse oder Kinderbetreuungsangebote, die auf die Arbeitszeiten von Gesundheitsfachkräften abgestimmt sind.
Die Befragung wurde zwischen April und Juni 2025 vom Büro BSS Volkswirtschaftliche Beratung durchgeführt und stützt sich auf 3'655 Antworten aus 18 Berufsverbänden.