Live-Bilder in der Notruf-Zentrale: Mehr Sicherheit, weniger Blaulicht-Einsätze

Videoübertragungen könnten das nächste Upgrade im Rettungsdienst werden. Sie verringern überflüssige Ambulanzfahrten – ohne Nachteile bei der Sicherheit. Dies deutet eine grosse Studie an.

, 15. August 2025 um 00:41
letzte Aktualisierung: 11. September 2025 um 07:36
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Bild: Roberto Martins / Unsplash

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Kann Video-Streaming bei medizinischen Notrufen die Triage verbessern? Was nützt es im Vergleich zum reinen Telefongespräch? Das war die Ausgangsfrage einer Studie, die nun in Dänemark erarbeitet wurde.
Und die Antwort fiel positiv aus: Ist eine Video-Verbindung zur Notfallzentrale möglich, so werden die Fälle präziser eingestuft; die Ressourcen werden geschont; und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten leidet dabei nicht.
  • Martin Faurholdt Gude, Jan Brink Valentin, Milena Meisner-Jensen et al.: «Video Streaming or Telephone Communication During Emergency Medical Services Dispatch Calls. A Cluster Randomized Clinical Trial», in: Jama Network Open, Juli 2025.
  • doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.19020
Ein Team der Universitäten von Aarhus und Aalborg sowie der Rettungsdienste von Zentral-Dänemark bearbeitete die Anrufe einer Einsatzzentrale, welche eine Grossregion mit 1,3 Millionen Menschen betreut. Dabei wurden die Disponenten in zwei Gruppen aufgeteilt: Es gab eine Videostreaming-Gruppe, die im Beobachtungszeitraum insgesamt 8’124 Anrufe übernahm, und es gab eine Telefon-Gruppe, bei der 10’621 Anrufe eingingen.
Eruiert wurde danach der Prozentsatz der Fälle, bei denen ein Rettungswagen mit der höchsten Dringlichkeitsstufe entsandt wurde – sowie auf der anderen Seite die Mortalitätsraten; die 24-Stunden-Hospitalisierungen bei zunächst nicht transportierten Patienten; die Aufnahmen in der Intensivstation; und die Anrufdauer.

Weniger Re-Hospitalisierungen

Die Video-Möglichkeit führte dazu, dass die höchste Dringlichkeitsstufe seltener ausgerufen wurde (–5 Prozent). Dies ging offenbar nicht auf Kosten der Patientensicherheit: Weder die 30-Tage-Sterblichkeit noch die Zahl der Intensivaufnahmen stiegen dabei an. Mehr noch: Die Zahl der Patientinnen und Patienten, die innert 24 Stunden ins Spital mussten, nachdem keine Ambulanz ausgerückt war, fiel in der Videogruppe sogar tiefer aus.
Die Daten zeigen also, dass eine Live-Beobachtung helfen könnte, unnötige Ambulanzeinsätze zu vermeiden. Rettungsdienste könnten die Einsichten aus Dänemark nutzen, um die Einführung eines sicheren Video-Streamingdienstes zu prüfen: Denn Video-Übertragungen könnten in der Tat ein wirksames Mittel sein, um die Triage zu verbessern.

Studiendesign, Methodik, Ergebnisse

  • Zeitraum & Setting: Januar bis April 2023, Einsatzleitstelle in der Region Zentral-Dänemark.
  • Design: Cluster-randomisierte Zuweisung der Disponenten in Video- oder Telefon-Gruppe. 18’745 Notrufe – davon 8’124 in der Videogruppe, 10’621 in der Telefon-Gruppe
  • Ergebnis 1: Weniger Fälle in höchster Dringlichkeitsstufe: 5,0 % weniger höchste Dringlichkeitseinsätze in der Videogruppe (95 %-KI: 0,0–10,1 %; P = 0,049).
  • Ergebnis 2: Nicht transportierte Patienten. Kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit der Nicht-Transporte (+4,5 %, 95 %-KI: −1,1 % bis 10,0 %; P = 0,11).
  • Ergebnis 3: Hospitalisation innert 24 Stunden. 2,0 Prozent weniger Fälle bei Video-Einsatz.
  • Ergebnis 4: Längere Dispositionszeit bei der Video-Gruppe. Im Mittel 3,7 Minuten in der Videogruppe gegenüber 3,2 Minuten beim Telefon.
  • Mortalität & ICU-Aufnahme: Keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bei 30-Tage-Sterblichkeit oder Aufnahme in Intensivstation.

  • notfall & rettung
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