HUG-Studie: Musik als Therapie für Frühgeborene

Bestimmte Melodien fördern gezielt die Gehirnentwicklung von Frühgeborenen. Eine Nationalfonds-Arbeit zeigt, welche Hirnbereiche reagieren.

, 22. Januar 2025 um 04:14
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Neugeborenes mit angepasstem Kopfhörer | Bild: © Stéphane Sizonenko – UNIGE HUG
Frühgeborene leiden später überdurchschnittlich häufig unter Aufmerksamkeits-defiziten und mangelnder Emotionsregulation. Eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Studie am Universitätsspital Genf (HUG) zeigt nun, dass Musiktherapie die Entwicklung bestimmter Hirnregionen fördern kann.
Die Wissenschaftler beobachteten bei Frühgeborenen – die im Schnitt in der 29. Woche geboren worden waren –, wie Musik die Verbindungsstruktur im Salienz-Netzwerk des Gehirns stärkt. Dieses Netzwerk hilft, Reize wie Geräusche einzuordnen, eine Fähigkeit, die bei Frühgeborenen oft weniger ausgeprägt ist. MRT-Scans belegten, dass gezielte Musiktherapie die Verbindungen zwischen wichtigen Hirnbereichen, etwa der Inselrinde und der Grosshirnrinde, verbessern kann.
Annemijn Van Der Veek, Serafeim Loukas, Lara Lordier, Joana Sa de Almeida, Manuela Filippa, François Lazeyras, Dimitri Van De Ville, Petra S. Hüppi: «Longitudinal functional brain connectivity maturation in premature newborn infants: Modulatory influence of early music enrichment», in: «Imaging Neuroscience», November 2024. doi: 10.1162
Doch es genügt nicht, wenn auf der Station ständig Mozart gespielt wird. «Auf einer Intensivstation gibt es eine Fülle von Geräuschen und Alarmen, es wäre nicht sinnvoll, diesen Lärmpegel noch zu verstärken», erklärt Petra Hüppi, die das Forschungsprogramm leitet.
Die Forschenden verwendeten daher 8-minütige Sequenzen, die sie jedem Neugeborenen individuell über Kopfhörer bei Übergängen von Schlaf und Wachzustand. vorspielten. Der Zürcher Komponist Andreas Vollenweider hat geeignete Stücke geschrieben, die dem Alltag des Säuglings einen Rhythmus geben und beruhigend wirken. Die Babys lernen dabei, die Melodie zu erkennen.
Während die positiven Effekte im MRT rasch sichtbar sind, untersucht das Team um Petra Hüppi nun die langfristigen Vorteile. Die erste Kohorte der Studie, 2016 geboren, ist mittlerweile acht Jahre alt. Verhaltenstests und neue MRT-Scans sollen zeigen, ob die Musiktherapie die kognitive Entwicklung nachhaltig fördert.
Um die Musiktherapie in der Praxis effizienter zu gestalten, arbeitet Hüppis Team mit der EPFL an einem KI-System. Dieses soll erkennen, wann Musik basierend auf Herzfrequenz, Bewegungen oder Gesichtsausdrücken abgespielt werden sollte. Ziel ist es, Musiktherapie als Standard auf Frühchen-Intensivstationen weltweit zu etablieren.
  • Musik ist ein chirurgisches Hilfsmittel. Wer nach einer Operation Musik zu hören bekommt, benötigt weniger Schmerzmittel, hat weniger Ängste – und auch sonst bessere Werte. Am US-Chirurgenkongress wurden dazu vielversprechende Ergebnisse präsentiert.

  • HUG
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