HUG: Ärzteteam schafft Teil-Herztransplantation bei Kind

Erstmals in Europa wurde bei einem Kind nur ein Teil des Herzens transplantiert. Das Team der Universitätsspitäler Genf ersetzte die geschädigten Herzklappen durch lebendes Spendergewebe.

, 16. Oktober 2025 um 19:31
image
Symbolbild: Unsplash
Erstmals in Europa wurde bei einem Kind nur ein Teil des Herzens transplantiert. Das Team der Universitätsspitäler Genf (HUG) ersetzte die geschädigten Herzklappen durch lebendes Spendergewebe – eine Alternative zu herkömmlichen Klappenprothesen, die mit dem Kind mitwachsen kann.
.Ein Team der Genfer Universitätsspitäler (HUG) hat im September eine europäische Premiere erzielt: Erstmals wurde bei einem Kind mit komplexer angeborener Herzfehlbildung eine partielle Herztransplantation vorgenommen.

image
Bild: HUG
Im Unterschied zur vollständigen Herztransplantation werden bei dieser Methode lediglich die defekten Herzklappen ausgetauscht, während der Herzmuskel des Kindes erhalten bleibt. Solche Eingriffe wurden bislang nur vereinzelt in den USA durchgeführt, erklärte Tornike Sologashvili, Kinderherzchirurg an den HUG, bei einer Pressekonferenz am 16. Oktober.

Alternative zu künstlicher Herzklappe

Ein wesentlicher Vorteil: Die transplantierten Klappen bestehen aus lebendem Gewebe, das mit dem Kind mitwachsen kann. So lassen sich die wiederholten Operationen vermeiden, die bei künstlichen oder tierischen Prothesen notwendig wären.
Bislang erhielten Kinder meist mechanische Herzklappen – verbunden mit einer lebenslangen Blutverdünnung – oder biologische Klappen, die sich im Laufe der Zeit abnutzen. «Für wachsende Kinder sind diese Lösungen alles andere als ideal», betont Kinderkardiologin Julie Wacker. Die partielle Transplantation könnte eine dauerhafte Lösung ermöglichen.
Kind mit schwerem Herzfehler
Der Patient litt an einem sogenannten Truncus arteriosus communis, einer seltenen Fehlbildung, bei der die beiden grossen Arterien des Herzens miteinander verschmolzen sind. Nach drei früheren Operationen entwickelte sich eine schwere Verengung.
Video des Eingriffs
Da die herkömmlichen Optionen – der Ersatz durch biologische oder mechanische Klappen – zu riskant waren, entschied sich das Team für die neue Methode. Die Operation dauerte rund fünf Stunden. Schon am nächsten Tag lächelte der Junge wieder – inzwischen kann er sogar wieder Fussball spielen, berichten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte.
Ein weiterer Vorteil: Die verwendeten Klappen stammen von Spenderherzen, die für eine vollständige Transplantation nicht mehr geeignet sind – etwa wegen eingeschränkter Herzfunktion. «Damit lässt sich das Spenderorgan trotzdem sinnvoll nutzen», erläutert Franz Immer, Direktor von Swisstransplant.
Da für diese Eingriffe keine Konkurrenz zu Empfängern eines ganzen Herzens besteht, entsteht ein neues Modell der Spendernutzung. Wacker und Sologashvili sprechen sogar von einem möglichen «Dominoeffekt»: Ein Patient, der ein neues Herz erhält, könnte selbst wieder Spender für eine partielle Transplantation werden, wenn seine Klappen intakt sind.

Medizinische Innovation mit offenen Fragen

Vor dem Eingriff fanden intensive Gespräche mit dem Ethikrat der HUG statt. «Die langfristigen Risiken sind noch nicht vollständig bekannt», räumt die medizinische Leitung ein. Sowohl die Schweizer Gesundheitsbehörden als auch Swisstransplant gaben jedoch grünes Licht – angesichts des innovativen Potenzials und fehlender Alternativen.
Die HUG planen nun, eine nationale klinische Studie zu starten, um die neue Technik breiter zu evaluieren. Eine enge Zusammenarbeit mit nordamerikanischen Zentren, die 2022 mit der Methode begonnen haben, sei im Aufbau.
Die Genfer Fachleute hoffen, dass dieser erste Fall der Beginn einer neuen Behandlungsstrategie ist – möglicherweise auch bei Neugeborenen. «Unser Ziel ist es, jedem Kind ein lebendes Gewebe zu geben, das mit ihm wachsen kann», sagt Tornike Sologashvili.
  • HUG
  • Herzchirurgie
  • Kardiologie
  • Pädiatrie
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Kispi sucht neue Leitung für die Kinderherzchirurgie

Das Kinderspital Zürich steht vor einem Führungswechsel in der Herzchirurgie: Robert Cesnjevar geht nach vier Jahren zurück nach Erlangen, ein Nachfolger wird gesucht.

image

Rassistische Inschriften im HUG: Die Direktion reagiert

An der Tür einer Pflegedienstleiterin des Universitätsspitals Genf wurde eine rassistische Inschrift gefunden. Die Direktion hat Anzeige erstattet.

image

KSA: Neuer stv. Chefarzt der Klinik für Pädiatrie

Seit bald 18 Jahren ist Andreas Bieri am Kantonsspital Aarau in der Pädiatrie tätig – nun wurde er zum stellvertretenden Chefarzt befördert.

image

Neonatologie-Pionierin übernimmt Leitung des DFEA in Genf

Mit Musik für Frühgeborene sorgte Petra S. Hüppi international für Aufsehen. Nun übernimmt sie die Leitung des Departements für Frauen, Kinder und Jugendliche am HUG – als Nachfolgerin von Alain Gervaix.

image

Herzschrittmacher: Schweizer Spitäler in der Preisfalle

Eine NZZ-Recherche bestätigt enorme Preisunterschiede bei Implantaten: Für denselben Herzschrittmacher bezahlen Schweizer Spitäler teils das Fünffache deutscher Kliniken. Der Preisgraben wirft Fragen zur Einkaufspolitik auf.

image
Kommentar | Von Marc-André Giger und Malte Frenzel

EFAS öffnet Türen – doch die Kindermedizin braucht mehr

Die Kinderspitäler könnten viele Behandlungen ambulant anbieten – doch strukturelle Fehlanreize verhindern viel. Die gewünschte Ambulantisierung wird ausgebremst.

Vom gleichen Autor

image

KIS: Das Freiburger Spital entscheidet sich für Schweizer System

Die Kantonsspitalgruppe HFR und das Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit hatten eine Ausschreibung für ein neues Klinik-Informationssystem durchgeführt. Das Angebot der Firma Cistec erhielt den Zuschlag – eine Premiere in der Westschweiz.

image

Gehälter von KVG-Managern «haben inakzeptable Höhen erreicht»

Die Kommission für soziale Sicherheit des Nationalrats kritisiert die hohen Gehälter einiger Krankenkassenmanagern und schlägt eine gesetzliche Deckelung vor.

image

Kantonsspital Neuenburg investiert in Maternité

Diverse Neuerungen sollen die Zukunft der Entbindungsstation am Standort Pourtalès sichern: Elternzimmer, physiologischer Geburtsraum, verstärkte perinatale Betreuung.