Musik ist ein chirurgisches Hilfsmittel

Wer nach einer Operation Musik zu hören bekommt, benötigt weniger Schmerzmittel, hat weniger Ängste – und auch sonst bessere Werte. Am US-Chirurgenkongress wurden dazu vielversprechende Ergebnisse präsentiert.

, 18. Januar 2025 um 08:20
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Bild: Chuttersnap on Unsplash
Wirksam, zweckmässig und ziemlich wirtschaftlich: Eine Arbeit, die unlängst am amerikanischen Chirurgenkongress in San Francisco präsentiert wurde, singt das Hohelied der Musik im Spital.
In der Meta-Studie überprüften kalifornische Mediziner insgesamt 3'700 Forschungsarbeiten nach postoperativen «patient outcomes» – und konkreter dann 35 Untersuchungen, welche den Einfluss von Musik überprüften.
Resultat: Schöne Töne wirken sich auf mehrerlei Weise positiv auf den Heilungsprozess nach einer Operation aus, ganz gleich, ob die Patienten sie per Kopfhörer oder per Lautsprecher hören. Konkret zeigten sich diese signifikanten Ergebnisse:
  • Weniger Schmerzen. Wer direkt nach der Operation Musik zu hören bekam, meldete am Folgetag weniger Schmerzen. Je nach Skala gaben die Patienten um 7 bis 19 Prozent tiefere Durchschnittswerte an.
  • Weniger Ängste. Die Angst-Levels waren in der Selbsteinschätzung der Patienten mit Musikkonsum um etwa 3 Prozentpunkte tiefer.
  • Weniger Schmerzmittel. Patienten, die Musik zu hören bekamen, benutzten beziehungsweise bekamen am ersten Tag nach der Operation weniger als halb so viel Morphine wie die «normalen» Patienten.
  • Tieferer Puls. Bei Patienten, die im Spitalbett nach der OP Musik hörten, lag der Puls im Schnitt um 4,5 Schläge/Minute tiefer. Auch dies wurde von den Autoren als signifikant und positiv beschrieben.
«Wenn Patienten nach einer Operation aufwachen, haben sie manchmal grosse Angst und wissen nicht, wo sie sind», lässt sich Eldo Frezza zitieren; der Professor für Chirurgie an der California Northstate University war Hauptautor der Studie. «Musik kann helfen, den Übergang vom Aufwachen zur Normalität zu erleichtern und beitragen, den Stress während dieses Übergangs zu senken.»

Gefühl der Vertrautheit

Die Studie äussert auch die Vermutung, dass eine Senkung des Cortisolspiegels beim Musikhören eine Rolle spielen könnte.
Für Tests mit Musik spricht, dass der Einsatz dieses Mittels günstig ist und weder von den Patienten noch vom Betreuungspersonal viel Aufwand verlangt. Keine Aussagen gibt es zum allerdings zum optimalen Musik-Stil. «Wir wollen nicht sagen, dass eine Musikrichtung besser ist als eine andere», so Frezza.
Ein hilfreicher Aspekt sei wohl, dass Musik den Menschen das Gefühl geben kann, an einem vertrauten Ort zu sein. Was wiederum dafür sprechen würde, dass man im Spital am besten wohl hört, was einem auch daheim gefällt.
  • forschung
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