Die Schweiz akzeptiert bis heute ausschliesslich Medizinprodukte gemäss dem Zulassungssystem der Europäischen Union (EU), namentlich CE- oder MD-gekennzeichnete Produkte.
Das Problem liegt unter anderem darin, dass die EU die Regulierung verschärfen will. Laut Experten soll sie zu ambitioniert sein. Folglich sei nicht sichergestellt, dass die Schweiz in den kommenden Jahren mit ausreichend qualitätsgeprüften Medizinprodukten versorgt werden kann.
Zulassung soll ausgeweitet werden
Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller hat deshalb bereits im Mai 2020 eine Motion mit folgendem Wortlaut eingereicht: «Der Bundesrat wird beauftragt, die Gesetzgebung so anzupassen, dass in der Schweiz auch Medizinprodukte aussereuropäischer Regulierungssysteme zugelassen werden können.»
Nun hat der Nationalrat die Motion am ersten Sessionstag der angelaufenen Wintersession relativ knapp mit 100 zu 79 Stimmen gutgeheissen. Der Ständerat hat das bereits in der zurückliegenden Sommersession getan. Somit hat der Bundesrat entgegen seinem Willen den Auftrag gefasst, eine entsprechende Gesetzesänderung vorzunehmen.
Warum der Bundesrat dagegen ist
Der Bundesrat plädierte für eine Ablehnung der Motion. Verschiedene gravierende Vorkommnisse mit Medizinprodukten hätten zu den verschärften Vorschriften geführt. «Ziel dieser Verschärfung ist die Erhöhung der Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten», so der Bundesrat wörtlich.
«Lehnen Sie den Wolf im Schafspelz ab», sagte die grüne Nationalrätin Manuela Weichelt in der Ratsdebatte. Die Zulassung von Medizinalprodukten gemäss der Motion schadeten unserer Gesundheit. «Wollen Sie eine fehlerhafte Hüftprothese oder einen fehlerhaften Herzschrittmacher in Ihrem Körper?»
Gemäss Weichelt könne die Schweiz kein Interesse haben, ein Produkt in der Schweiz zu verkaufen, das in der EU nicht zertifiziert sei. Drohe wirklich ein Versorgungsengpass, dann bestünde bereits heute die Möglichkeit, ein Ausnahmegesuch für ein aussereuropäisches Produkt zu stellen.
Drohender Versorgungsengpass
Die Mehrheit des Rats sieht das anders und folgte dem Antrag der vorberatenden Kommission. Sie hatte im August eine Anhörung mit der betroffenen Swiss Medtech durchgeführt. «Es wurde uns versichert, dass die vom Motionär vorgebrachten Probleme tatsächlich bestehen und auch zu ernsthaften Versorgungsproblemen führen», erklärte SVP-Nationalrat Andreas Glarner im Namen der Kommission.
Man hätte ihr ebenfalls versichert, dass die amerikanische Zulassung keineswegs schlechter sei. «Swiss Medtech hat die unterschiedlichen Regulierungssysteme untersuchen lassen und ist dabei auf keine Daten gestossen, die belegen würden, dass das Zulassungsverfahren der USA weniger sicher wäre», sagte Glarner.
Darauf deutet auch der Umstand, dass die USA das wohl strengste Haftpflichtrecht überhaupt kennen dürfte.
Überdies teilt Swiss Medtech die Haltung des Bundesrates nicht, wonach die Versorgung mit sicheren und leistungsfähigen Medizinprodukten mittelfristig gesichert sei und aktuell kein dringender Handlungsbedarf bestehe.