«Es fehlt der Wille, veraltete Leistungen konsequent zu streichen»

Ist der Leistungskatalog der Krankenkassen zu locker? Der Nationalrat findet nicht. Er lehnte eine Motion gegen unwirksame Behandlungen ab.

, 25. September 2024 um 22:04
image
SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider in der Debatte: Sie muss in dieser Session mehrfach Angriffe auf die Komplementärmedizin abwehren. | Screenshot: SRF
SVP-Nationalrat Michaël Buffat verlangt vom Bundesrat «eine strikte Begrenzung oder gar die Streichung von Behandlungen, die wenig wirksam oder veraltet sind oder die WZW-Kriterien nicht erfüllen.» Damit verlangt der Waadtländer nichts anderes als die Umsetzung des Gesetzes.
Dennoch: Der Nationalrat lehnte die Motion am Mittwoch relativ knapp mit 100 zu 92 Stimmen ab.
Denn Michaël Buffat begründete seinen Vorstoss mit dem verfehlten Ziel, das Kostenwachstum zu bremsen. Worauf Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider entgegnete, dass der Anstieg der Gesundheitskosten und die damit verbundene Prämienerhöhung auf mehrere Faktoren zurückzuführen seien.
Laut Gesundheitsministerin Baume-Schneider genügen die gesetzlichen Grundlagen, um den Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu steuern. Die Kriterien der Wirksamkeit und Effizienz würden dabei berücksichtigt. Baume-Schneider nannte folgende Fortschritte:
  • Seit 2012 ermöglichte die dreijährliche Überprüfung der Medikamente Einsparungen in Höhe von 1,3 Milliarden Franken.
  • Im Rahmen des ETS-Programms des Bundes wurden 23 Entscheidungen über Erstattungen getroffen, die direkte Einsparungen von mehr als 80 Millionen Franken darstellen.
Für Michaël Buffat sind die von der Bundesrätin genannten Massnahmen «weitgehend unzureichend», so lobenswert sie auch seien. Angesichts der ständig steigenden und oft ungerechtfertigten Ausgaben seien sie nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Hauptproblem ungelöst

«Das grundlegende Problem ist nach wie vor ungelöst», so der Waadtländer in der Ratsdebatte. Der Leistungskatalog sei zu grosszügig und enthalte veraltete, ineffektive oder medizinisch nicht notwendige Behandlungen.
Buffat nannte als Beispiel die zunehmende Zahl medizinischer Bildgebungsverfahren oder die übermässige Verschreibung von Magensäureblockern, die sich nach seiner Beurteilung in vielen Fällen als unwirksam erweisen.

Komplementärmedizin

Und weiter: «Diese Praktiken bestehen weiterhin (...), weil die aktuellen Kriterien nicht streng genug angewendet werden und es keinen echten Willen gibt, veraltete Leistungen konsequent zu streichen.»
Michaël Buffet zielte mit seinem Angriff auch auf die Komplementärmedizin, obschon er das Wort nicht ausdrücklich in den Mund nahm. Auch bei komplementärmedizinischen Behandlungen, die über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) abgerechnet werden können, sind die WZW-Kriterien nicht in jedem Fall erfüllt.
So sei an eine andere Motion verwiesen, die der Nationalrat in der ersten Sessionswoche guthiess: «Wer auf Komplementärmedizin verzichtet, soll weniger Prämien zahlen.»
  • Gesundheitskosten
  • politik
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Kritik an Drehtür-Karrieren im Gesundheitswesen

Das NGO «Public Eye» rechnet vor, wie häufig Experten zwischen der Pharmaindustrie und den Aufsichtsbehörden Swissmedic und BAG wechseln.

image

Die Prognose: Krankenkassen-Prämien wachsen um vier Prozent

Der Online-Vergleichsdienst Comparis rechnet mit einem weiteren Anstieg der Prämien – wegen der steigenden Gesundheitskosten und des Drucks auf die Zusatzversicherungen.

image

Kickbacks im Gesundheitswesen: Bundesrat muss handeln

Der Nationalrat fordert Massnahmen gegen verdeckte Zuwendungen an Leistungserbringer. Auslöser war eine Enthüllung über ein Genfer Labor, das hohe Summen an Praxen zahlte.

image

Neue Spitaltarife sollen Qualität belohnen

Der Nationalrat will qualitätsabhängige Spitaltarife ermöglichen.

image

Kopfprämien sind endgültig vom Tisch

Das Parlament will am bisherigen System festhalten: Alle sollen die gleichen Krankenkassenprämien zahlen – unabhängig vom Einkommen und Vermögen.

image

Bundesrat genehmigt neue Tarife – und schon hoffen alle auf Änderungen

Fachärzte, Privatspitäler und die Pharma-Industrie finden die Tarife «untauglich» und «schlecht konzipiert».

Vom gleichen Autor

image

Soll Komplementärmedizin freiwillig versichert werden?

Die Menschen sollen wählen dürfen, ob sie die Alternativmedizin abgedeckt haben wollen. Diese Idee wurde im Nationalrat knapp angenommen. Jetzt folgt der Ständerat.

image

Avos - neun Gesuche in der Pipeline

Bei 18 Eingriffen gilt der Grundsatz ambulant vor stationär. Die Liste könnte Ende Jahr um 9 weitere ergänzt werden.

image

Der Fortbestand des Spitals Wil ist gesichert - oder doch nicht?

Mitte Mai wird der Verein «Zukunft Spital Wil» gegründet. An vorderster Front mit dabei: FMH-Präsidentin Yvonne Gilli.