Was lange währt, wird endlich gut. Wirklich? Bei der
«Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme» trifft das Sprichwort kaum zu. 2017 reichte der damalige grünliberale Nationalrat Thomas Weibel die entsprechende parlamentarische Initiative ein. 2019 stimmte der Nationalrat dem Vorstoss zu. Der Ständerat folgte zwei Jahre später.
Zuletzt wurde Weibels Ansinnen in der
Herbstsession des vergangenen Jahres behandelt. Es ging um eine weitere Fristverlängerung, die mit doppelt so vielen Ja- als Neinstimmen angenommen wurde.
Jetzt gilt es ernst
In der kommenden Wintersession geht nun der Vorstoss in die entscheidende Phase: Diesmal geht es um die konkrete Gesetzesänderung. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) soll den Kantonen ermöglichen, für einen Zuschlag auf den Selbstbehalt von maximal 50 Franken zu erheben, wenn jemand ohne ärztliche Überweisung bei der Spitalnotfallaufnahme erscheint. Von der Gebühr ausgenommen wären unter anderem Kinder und Schwangere.
Ob auch Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sowie Personen, die wegen eines psychiatrischen Notfalls den Spitalnotfall aufsuchen, von der Gebühr befreit werden sollen, wird erst die Debatte zeigen.
Harziger Prozess
Bei parlamentarischen Initiativen gestaltet sich der Gesetzgebungsprozess generell harziger als bei anderen Vorstössen, weil hier nicht die Verwaltung für die Umsetzung besorgt ist, sondern das Parlament, dem aber dazu das Fachpersonal fehlt.
Nur muss man wissen, dass sich die Verhältnisse seit 2017 verändert haben: In seiner Begründung schrieb Nationalrat Thomas Weibel, die Gebühr leiste einen Beitrag zur Entlastung der Notfallpforten der Spitäler und könne auch zur Dämpfung der Kostenentwicklung im Gesundheitsweisen beitragen. Er sprach von Bagatellfällen.
Bagatellfälle nehmen relativ ab
Inzwischen weiss man es besser:
Helsana hat aufgrund der Abrechnungsdaten die Zahl der Bagatellfälle analysiert. Danach ist der Anteil an Bagatellfällen über die Jahre hinweg gesunken – von 10 Prozent im Jahr 2014 auf 7 Prozent im Jahr 2023.
Die nun diskutierte Gesetzesänderung zielt jedoch nicht mehr bloss auf Bagatellfälle ab. Vorgesehen ist, dass Versicherte bei jeder Behandlung in einer Spitalnotaufnahme ohne schriftliche Überweisung einen Zuschlag von bis zu 50 Franken bezahlen müssten – unabhängig davon, ob sich der Fall als Bagatelle oder als ernsthaft erweist.
Das Gesicht wahren
«Geht gar nicht», sagt Gesundheitsexperte Felix Schneuwly. Der ursprüngliche Vorstoss habe sich einzig auf Bagatellfälle bezogen. Man könne den Anwendungsbereich nicht einfach ausweiten, nur weil sich gezeigt habe, dass Bagatellfälle kein nennenswertes Problem darstellten.
Dennoch befürchtet der Comparis-Experte, dass der Nationalrat die Gesetzesänderung beschliessen wird – allein um das Gesicht zu wahren und nicht eingestehen zu müssen, über Jahre hinweg ins Leere gearbeitet zu haben.
Bundeserat: Nicht eintreten
Weil es sich beim Vorstoss um eine parlamentarische Initiative und nicht um eine Motion handelt, musste bisher der
Bundesrat zum Anliegen nicht Stellung beziehen.
Der Grünliberale Nationalrat Patrick Hässig hat anderes vor: Er wird sich für Eintreten stark machen. «Wir fällen keinen Entscheid. Wir schaffen lediglich die gesetzliche Grundlage, damit die Kantone die Grundgebühr erheben können, falls sie das wollen. Und das ist gut so.»