«Gesetzeswidrige ambulante Pauschalen gefährden Versorgungssicherheit»: So lautet der Titel einer Mitteilung der FMCH. Darin reagiert der Dachverband der invasiv tätigen Ärzte sowie der Spezialärzte auf einige Anpassungen, welche die Tariforganisation OAAT
am Dienstag publiziert hatte.
Die geplanten Nachbesserungen seien ein Teilerfolg – mehr nicht, so die Einschätzung der FMCH-Spitze unter der Leitung von Michele Genoni.
Insgesamt hätten die ärztlichen Fachgesellschaften 500 Änderungsanträge eingereicht, und es sei nicht erkennbar, wie diese in nützlicher Frist behandelt werden könnten. Zugleich brachte die FMCH bei der OAAT gezielt priorisierte Anträge ein, um zumindest die schwerwiegendsten Mängel der ambulanten Pauschalen vor der geplanten Einführung im Januar 2026 zu entschärfen.
Als Teilerfolg wertet die FMCH nun die Zusage, dass die Kosten pathologischer Analysen in den Pauschalen mit einem neuen Modell verrechnet werden. Doch zahlreiche weitere Änderungsanträge aus Sicherheitsüberlegungen liegen weiter an – in den Bereichen Hals-Nasen-Ohren, Gynäkologie, Handchirurgie und Orthopädie.
Es geht dabei stets um nicht sachgerechte Tarife – die wiederum zur Folge haben könnten, dass gewisse Leistungen nicht oder nur noch spitalambulant angeboten werden. Obendrein sieht das Gesetz vor, dass die Ärztetarife betriebswirtschaftlich berechtigt sind und auf einer sachgerechten Struktur basieren.
Beispiele: Pathologie und Anästhesie
Laut den bisherigen Plänen sollten pathologische Untersuchungen mit derselben Pauschale abgegolten werden. Laut der FMCH variieren die Kosten der pathologischen Untersuchungen aber zwischen 150 und 3’000 Franken. Die OAAT hat nun reagiert und will für Leistungen der Pathologie einen eigenen Verrechnungsweg einführen.
Bei der Anästhesie forderten die Spezialärzte ein «Splitting». Auch hier sind die ambulanten Pauschalen nach heutiger Planung beim gleichen Eingriff gleich hoch – unabhängig davon, ob eine externe Anästhesiefachperson hinzugezogen wird oder nicht. «Der Beizug der externen Anästhesie ist jedoch ein wesentliches Sicherheitselement, das bei gewissen vulnerablen Patientinnen und Patienten unverzichtbar ist», argumentiert die FMCH.
Die FMCH schlägt nun vor, dass der Bundesrat in den nächsten Wochen nochmals überprüft, ob alle ambulanten Pauschalen, die Anfang 2026 eingeführt werden, die gesetzlichen Grundlagen erfüllen. Im Laufe des kommenden Jahres sollen dann alle offenen und kritischen Pauschalen rasch überarbeitet werden.
Wichtig sei dabei auch, dass die Ressourcen der OAAT temporär erhöht werden: «Mit den bestehenden Ressourcen ist es unmöglich, die fünf Schwerpunkte und die 500 Anträge der medizinischen Fachgesellschaften mit Wirkung auf den Einführungszeitpunkt 1.1.2027 gesetzeskonform zu prüfen», so die FMCH. Zudem müsse die OAAT verstärkt ihre Prozesse öffentlich machen und die Fachgesellschaften in allen Arbeitsgruppen einbeziehen.
Anwaltskanzlei erarbeitet Grundlagen
Sollten die wichtigsten Punkte unerfüllt bleiben, so will die FMCH bei der Geschäftsprüfungskommission des Parlaments eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Bundesrat einreichen. Ferner würde die FMCH ihre Mitglieder bei Klagen unterstützen, die sich gegen Pauschalen richten, welche nicht KVG-konform sind. Man habe einer Anwaltskanzlei den Auftrag erteilt, die Grundlagen für Beschwerden zu erarbeiten.
«Die OAAT nimmt offenbar bewusst in Kauf, dass die Ärzteschaft ihre Patientinnen und Patienten ambulant teilweise nicht mehr kostendeckend behandeln kann», sagt Michele Genoni, der Präsident der FMCH: «Dadurch werden Krankheiten verschleppt, und die Kosten werden in den stationären Bereich verlagert.»
Worum geht es?
Ab Januar 2026 gilt nicht mehr der alte Tarif Tarmed: Neu gibt es den Tarif Tardoc und ambulante Pauschalen. Der Bundesrat genehmigte das Gesamt-Tarifsystem für ambulante ärztliche Leistungen
Ende April. Es ist ein Kompromiss zwischen Leistungserbringern (H+, FMH) und den Krankenkassen (Prio.Swiss) – wobei es schon im Vorfeld der Bewilligung zu Konflikten kam.
Ärztliche Fachgesellschaften monierten, dass das System (oder zumindest viele Pauschalen) unausgerecht und nicht sachgerecht seien: Sie bildeten die Wirklichkeit in den Praxen und Ambulatorien keineswegs ab. Und deshalb bestehe die Gefahr, dass gewisse Leistungen nur defizitär erbracht werden können – mit der Folge, dass hier Unterversorgung, lange Wartezeiten oder eine Zweiklassen-Medizin droht.
Um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden, einigte man sich aber darauf, das vorhandene System termingerecht einzuführen – mit dem Versprechen, umgehend und stetig weitere Anpassungen vorzunehmen. Das neue Gesamt-Tarifsystem sei «dynamisch», so der Bundesrat. Der Spitalverband H-Plus sprach von einem «lernenden» ambulanten Gesamt-Tarifsystem.
Nun steht die Frage im Raum, ob sich das System rasch und entschlossen genug anpassen lässt.