Sorgen um Vamed: Wenn Reha-Kliniken zu Investitions-Objekten werden

Ein Private-Equity-Fonds übernimmt 66 Reha-Standorte, davon fünf in der Schweiz. Im Nachbarland Österreich wird der Deal zum Politikum.

, 16. August 2024 um 08:00
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Reha-Standorte des Vamed-/Fresenius-Konzerns | Bilder: Aus den Websiten der Kliniken.
Protestierende Regierungsmitglieder, mobilisierende Krankenkassen, demonstrierende Belegschaften: In Österreich ist das Schicksal der Rehaklinik-Gruppe Vamed ein politisches Thema – seit Wochen schon. Am Mittwoch wieder organisierten die Gesundheitskasse ÖKG und die Gewerkschaften eine Protestveranstaltung in Wien.
Die Kernfrage dabei lautet: Werden unsere Rehakliniken nun ausgepresst? Sinkt die Qualität, steigt der Druck aufs Personal? Wird Reha teurer?
Denn im Mai wurde bekannt, dass die französische Private-Equity-Firma PAI die Mehrheit an den Vamed-Rehakliniken übernimmt.
Vamed hat starke österreichische Wurzeln (es war einst ein Staatsbetrieb), dann wechselte es in den Mehrheitsbesitz des deutschen Fresenius-Konzerns; und dieser will sich nun vom Reha-Bereich trennen.

Neues Unternehmen, neuer Name

Auch in der Schweiz hat Vamed eine wichtige Position – es ist einer der grössten Reha-Anbieter im Land. Konkret gehören die Rehakliniken Dussnang, Seewis, Tschugg und Zihlschlacht sowie ein ambulantes Zentrum in Zürich zu Vamed Schweiz.
Insgesamt übernimmt PAI das Ruder bei 66 Kliniken in Österreich, Deutschland, Grossbritannien, Tschechien und der Schweiz; diese betreiben 9’100 Betten und beschäftigen etwa 13’000 Personen – davon 1’400 hierzulande. Im Oktober soll daraus ein neues Unternehmen mit neuem Namen werden.
Im Nachbarland nannte die Zeitung «Der Standard» den Deal «wohl das umstrittenste Geschäft in der Geschichte des österreichischen Gesundheitswesens». Denn wenn ein Private-Equity-Fonds – vulgo «Heuschrecke» – die wichtigste Rehabilitations-Gruppe im Land übernimmt, so drohen Turbulenzen.
Schliesslich ist das Geschäftsmodell von PAI evident: Man bündelt Gelder von Investoren, steckt sie in verbesserungsfähige Firmen, strafft und trimmt diese und steigt nach einigen Jahren mit einem hübschen Gewinn wieder aus.

«Erhebliche Gefahren»

Und so wandte sich auch Österreichs Ärztekammer gegen das Projekt: «Die Übernahme birgt erhebliche Gefahren für die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Österreich und setzt die Sicherheit für die Patientinnen und Patienten aufs Spiel», liess sich Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart zitieren.
Ganz allgemein bietet der Einstieg von PAI in den Reha-Sektor einen weiteren Beleg, wie attraktiv das Gesundheitswesen für solche Investoren geworden ist. Neben Zahnarzt-Gruppen finden dabei auch Augenheilkunde-, Radiologie- und Orthopädie-Anbieter ein bevorzugtes Interesse.
PAI selber übernahm 2019 in Deutschland die zweitgrösste Dental-Kette Zahneins, die heute 82 Praxen führt. In der Schweiz ist PAI beim Ophthalmologie-Anbieter Vista investiert; es besitzt die Hälfte der Gruppe mit 30 Standorten.

Vista ist zufrieden

«Ich kann nur sagen, dass die neuen Besitzverhältnisse für uns ideal sind», sagte Vista-CEO Christoph Gassner jüngst gegenüber Medinside: «Wir haben zwei Investoren, die je 50 Prozent des Kapitals besitzen: Die französische Private-Equity-Gesellschaft PAI ist eher kurzfristig orientiert und zwingt uns als Leistungserbringer, rasch die richtigen Themen anzugehen. Die OTPP, die Pensionskasse der kanadischen Lehrer, ist ein äusserst langfristig orientierter Investor, der dafür sorgt, dass der langfristige Erfolg im Fokus ist.»
Tatsächlich gibt es auch Stimmen, denen es zu simpel erscheint, Private-Equity-Firmen bloss als Abbruch-Brigaden zu sehen. «Wir wollen vor allem wachsen. Aus uns selbst heraus, organisch, und durch Zukäufe», sagte Klaus Schuster, der designierte Chef der geplanten PAI-Reha-Gruppe, der «Kleinen Zeitung» in Graz: «Das geht nur, wenn wir höchste Qualität bieten.»

«Wir werden ins Team investieren»

Konkret erläuterte CEO Schuster, dass die Reform des Reha-Verbundes bei der Organisation ansetzen soll: Die zersplitterte IT-Landschaft in den 66 Betrieben werde vereinheitlicht, was Jahre dauern dürfte. «Wir wollen den Mitarbeitern wirklich eine gute Zukunft geben», so Klaus Schuster.
In einer Stellungnahme gegenüber dem «Standard» versprach PAI, dass man «erhebliche Investitionen in das Rehabilitationsgeschäft von Vamed» tätigen wolle, «um die Qualität der medizinischen Versorgung weiter zu verbessern». Auch werde PAI «in das Team investieren, um sicherzustellen, dass das Geschäft die besten Talente für seine Rehabilitationsdienste anzieht und behält.»
Und so sieht man die Sache bei Vamed Schweiz recht gelassen: PAI sei ein Partner mit einem positiven Track Record im Gesundheitswesen, der das Management in seinen Bemühungen um hohe Behandlungsqualität und Patienten- sowie Mitarbeiterzufriedenheit unterstützt, so ein Statement: «Gemeinsam mit dem neuen Eigentümer werden wir unsere Bemühungen fortsetzen, eine hohe Qualität sowie die Zufriedenheit von Patienten und Mitarbeitenden sicherzustellen.»

  • Zum Thema: In Spitälern, die Finanzinvestoren gehören, haben die Patienten eher Komplikationen. Dies besagen neue US-Daten.

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