UZH: Neue Therapie für die Linderung von sozialem Schmerz

Psychische Krankheiten wie Depressionen führen häufig zu sozialen Problemen, die bislang kaum zu behandeln sind. Wissenschaftler der Universität Zürich haben nun die Wirkung von Psilocybin aus dem Zauberpilz nachgewiesen.

, 19. April 2016 um 06:59
image
  • forschung
  • psychiatrie
  • universität zürich
  • psilocybin
  • studie
Soziale Erlebnisse und Begegnungen sind elementar für die psychische und physische Gesundheit eines Menschen. Doch gerade Patienten mit psychischen Krankheiten wie Depressionen oder Borderline-Störungen leiden häufig unter sozialer Isolation. Zudem reagieren sie meist stärker auf soziale Zurückweisung als Gesunde, was den psychischen Störungen Vorschub leistet und deren Behandlung zusätzlich erschwert. 
Mit den derzeit verfügbaren Medikamenten lassen sich soziale Defizite von psychisch kranken Menschen laut einer Mitteilung der Universität Zürich kaum wirksam behandeln. Es ist auch wenig über die Prozesse im Gehirn bekannt, die der Verarbeitung negativer sozialer Erlebnisse zugrunde liegen. 

Psilocybin beeinflusst Hirnprozesse

Forscher der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) haben nun herausgefunden, dass Psilocybin, der bioaktive Bestandteil der mexikanischen Zauberpilze, diese Prozesse im Gehirn beeinflusst. Die Substanz stimuliert spezifische Rezeptoren des Neurotransmitters Serotinon. Bereits eine geringe Menge Psilocybin verändert offenbar die Verarbeitung sozialer Konflikte im Gehirn. 
In einer Studie wurde die Reaktion der Teilnehmer auf soziale Ablehnung in den dafür zuständigen Hirnregionen abgeschwächt. Dies mit dem Resultat, dass sich Studienteilnehmer nach der Einnahme einer geringen Menge von Psilocybin weniger ausgeschlossen fühlten als nach der Behandlung mit einem Placebo. Sie berichteten zudem, dass sie weniger sozialen Schmerz empfunden hatten. 
Katrin Preller, Thomas Pokorny, Andreas Hock, Rainer Kraehenmann, Philipp Stämpfli, Erich Seifritz, Milan Scheidegger, Franz Vollenweider: «Effects of serotonin 2A/1A receptor stimulation on social exclusion processing» in: «Processing of the National Academy of Sciences» (PNAS), 18. April 2016
Die übersteigerte Wahrnehmung von sozialem Ausschluss und sozialem Schmerz kann dazu führen, dass sich Betroffene zurückziehen. Psilocybin scheint gemäss der Katrin Preller, der Erstautorin der Studie, genau in den Bereichen des Gehirns zu wirken, in denen bei psychischen Krankheiten eine erhöhte Aktivität nachgewiesen worden ist. Soziale Ablehnung ist damit dank Psilocybin weniger belastend für die Patienten. 
Für ihre Studie nutzen die Wissenschaftler bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) und die Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS). Dabei entdeckten sie, dass ein weiterer Botenstoff beim Empfinden von sozialem Schmerz eine Rolle spielt: Aspartat. 

«Wegweisende Erkenntnisse»

«Die nun publizierten Erkenntnisse könnten wegweisend sein, um die neuropharmakologischen Mechanismen von sozialem Austausch aufzuklären und langfristig neue Behandlungsansätze zu entwickeln», sagt Franz Vollenweider, Leiter der Gruppe Neuropsychopharmakologie und Brain Imaging. Dies dürfte dazu beitragen, wirksamere Medikamente zur Behandlung von Krankheiten wie Depression und Borderline-Persönlichkeitsstörungen zu entwickeln, die zu einer starken Reaktion auf negative soziale Erlebnisse führen. 
Mehr zum Thema psilocybinhaltige Pilze oder Zauberpilze auf «Wikipedia»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Psychiatrische Grundpflege»: Eine neue Kostenlawine für die Krankenkassen?

Ein Bundesgerichts-Urteil lässt aufhorchen: Danach sollen auch Laien eine Entschädigung für psychiatrische Pflege von Angehörigen erhalten.

image

Psychiatrie: Josef Müller wird Chef der UPD

Zuvor wurde bereits ein neuer Verwaltungsrat der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern bestimmt.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

image

UPK erhält 1,4 Millionen für die LSD Forschung

Hilft LSD bei Alkoholabhängigkeit? In den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel wird dazu aktuell geforscht. Mit Unterstützung des Schweizer Nationalfonds.

image

Innovation Qualité: Auszeichnungen für LUPS, Inselspital und Stadtspital Waid

Prämiert wurden Projekte für die Suizidprävention und für das MS-Monitoring – sowie zwei Reflexionsgefässe.

image

UPD eröffnet Psychiatrie-Zentrum für die Kleinsten

Das neue «Berner Eltern-Kind-Zentrum» soll eine Diagnostik- und Therapielücke bei Kindern von null bis fünf Jahren schliessen.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.