Im Zuge des Rechtsstreits zwischen dem Inselspital und der entlassenen Oberärztin Natalie Urwyler sind auch seltsame Machenschaften rund um die Poolgelder zu Tage getreten. Das Inselspital hat zwar ein Reglement, in dem die Kompetenzen klar definiert sind. Danach wird die Verteilung der Poolgelder durch die Vertragsärzte im Konsens festgelegt.
Universitätsspital Bern
Doch wie das Inselspital auf Anfrage bestätigt, hat man kein Problem damit, wenn ein einzelner Chefarzt im stillen Kämmerlein die Verteilung bestimmt, ohne dafür jemandem Rechenschaft abzulegen, wie das Frank Stüber, Chef der Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie (KAS) und somit früherer Vorgesetzte von Natalie Urwyler, zu tun pflegt.
Im O-Ton des Inselspitals heisst es so: «Ein Konsens kann auch darin bestehen, dass die Vertragsärzte die Kompetenz delegieren.» Wie freiwillig ein karrierebewusster Vertragsarzt ein vom Chef vorgelegtes Papier unterschreibt, kann man sich wohl denken.
Die Frage drängt sich auf: Wie verfahren andere Universitäts- und Zentrumsspitäler mit den Poolgeldern? Um es vorweg zu nehmen: Alle angefragten Spitäler erklären, bei ihnen gäbe es keinen Fall, in welchem der Chefarzt alleine nach eigenem Gutdünken über die Verteilung der Poolgelder befindet.
Universitätsspital Zürich
Beim Unispital Zürich erlassen die Klinik- und Institutsdirektorinnen und –direktoren ein Poolreglement, das sich einem von der Spitaldirektion vorgegebenen Musterreglement anlehnt. Zudem hat die Spitaldirektion allgemein gültige Grenzwerte für relative Höchstbezüge definiert, welche von allen Kliniken eingehalten werden müssen:
- Der Klinikdirektorinnen und – direktoren beziehen persönlich maximal 40 Prozent der Poolgelder.
- Der durchschnittliche Bezug der leitenden Ärzte der Klinik beträgt mindestens 25 Prozent des Klinikdirektors.
- Begründete Ausnahmefälle können der Ärztlichen Direktion vorgängig zur Begutachtung und Bewilligung durch die Spitaldirektion vorgelegt werden.
Wie die Kommunikationsabteilung des USZ weiter erklärt, wird die Einhaltung dieser Bestimmungen regelmässig durch die Direktion Finanzen und sporadisch durch die Finanzkontrolle des Kantons Zürich geprüft.
Universitätsspital Basel
Die Basler haben weniger Vorgaben als die Zürcher. Jede Klinik legt die Verteilung ihrer generierten Honorare selber in einer Klinikpoolregelung fest. «Das Universitätsspital Basel macht seinen Kliniken keine Vorgaben, wie sie die Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit zu verteilen haben,» erklärt Mediensprecher Martin Jordan.
Wie im Berner Inselspital entscheiden auch im USB «in aller Regel» die Chefärzte im Konsens mit ihren Ärzten, wie die Einnahmen verteilt werden. Wobei es am Rheinknie keinen Fall gibt, in welchem der Chefarzt alleine über die Verteilung der Poolgelder befindet.
Universitätsspital Genf
Bei den Hôpitaux Universitaires Genève – Branchenleute sprechen vom HUG – basiert die Verteilung der Poolgeldern auf einem Reglement, das von der Direktion erlassen wurde. Jedes Jahr macht der Chefarzt einen Vorschlag, wie die Gelder reglementskonform zu verteilen sind, der dann von allen Vertragsärzten zu unterschreiben ist. Der Vorschlag wird dem medizinischen Direktor und dann dem Direktionskomitee vorgelegt.
Luzerner Kantonsspital
Das Luzerner Kantonsspital hat das honorarbasierte Lohnsystem schon vor über zehn Jahren abgeschafft. Kaderärztinnen und Kaderärzte erhalten keine Honorare aus der Behandlung von Privatpatienten; sie werden auch nicht umsatzbasiert bezahlt. Entsprechend gibt es im Luzerner Kantonsspital in den Departementen oder Kliniken keine Pools, in welche Einnahmen aus der Behandlung von Patienten fliessen. Die Einkünfte aus der Behandlung von allgemein wie privat versicherten Patienten fliessen in die allgemeine Betriebsrechnung.
Kantonsspital Aarau
Das Kantonsspital Aarau spricht nicht von Pools, sondern von Honorargemeinschaften, an welchen mehrere Ärzte partizipieren. Die Bezüge, die vom CEO genehmigt werden müssen, sind reglementarisch geregelt und im Rahmen des Gesamteinkommens gedeckelt. Diese Regelung gilt heute. Ab 2019 gibt es im KSA keine Honorargemeinschaften mehr.
Kantonsspital Graubünden
Beim Kantonspital Graubünden machen die am Pool beteiligten Ärzte einen gemeinsamen Vorschlag für die Verteilung. Dieser Vorschlag muss vom CEO und dem Personalchef genehmigt werden.
Kantonsspital St. Gallen
Der Umgang mit Poolgeldern für Oberärztinnen und Oberärzte ist am Kantonsspital St.Gallen in einer von der Geschäftsleitung erlassenen Weisung geregelt. Die Auszahlungen erfolgen leistungsbezogen. Deshalb obliegt die Kompetenz, Zahlungen aus dem klinikeigenen Pool auszurichten, der jeweiligen Klinik-, Institut- oder Zentrumsleitung. Allerdings mit der Vorgabe, für alle Berechtigten eine von der Geschäftsleitung definierte Unter- beziehungsweise Obergrenze einzuhalten.
Kantonsspital Baden
Wie berichtet, führt auch das Kantonsspital Baden für Kaderärzte ein neues Lohnmodell ein, das im kommenden Jahr in Kraft tritt. Es ist dieser Tage von allen Chefärzten und Chefärztinnen unterzeichnet worden. «Das neue Modell wird weder Poolgelder noch honorarbasierte Entschädigungen enthalten», versichert Sprecher Omar Gisler. Bei den Ärztesalären wird der Fixlohn zulasten des variablen Teils erhöht. Letzterer soll an den wirtschaftlichen Erfolg des Gesamtunternehmens gekoppelt werden. Dabei werden auch Aspekte wie die Patientenzufriedenheit, Qualität der Behandlung oder Projekterfolge massgebend sein.
Poolgelder vor Gericht
Gemäss dem Inselspital gibt es gegen das Vorgehen des Chefs der Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie nichts einzuwenden, wenn sich die Vertragsärzte damit einverstanden erklärten, dass der Chef ganz allein über die Verteilung der Poolgelder entscheidet. Das Gericht kommt vielleicht zu einem anderen Schluss.
Denn bei der Klage der geschassten Natalie Urwyler ging es nicht bloss um die missbräuchliche Kündigung. Es ging auch um eine mutmassliche Lohndiskriminierung im Zusammenhang mit den Poolgeldern. Das Gericht hat diesen Punkt der Klage ausgeklammert und wird darüber voraussichtlich im kommenden Frühjahr befinden.