Schweizer Chefärztin auf Abwegen

Für die Chefärztin Petra Wiechel ist die Corona-Pandemie ein «Ablenkungsmanöver» einer Verschwörung. Auch vor Krebsleiden werde künstlich Angst erzeugt. Das sagen FMH und Kanton zu den problematischen Aussagen?

, 11. Januar 2021 um 14:27
image
Im Sommer machte die Swiss Mountain Clinic (bis 2018 als Paracelsus Clinica al Ronc bekannt) aus dem bündnerischen Castaneda wegen Geldproblemen auf sich aufmerksam. Nun sorgt die Chefärztin Petra Wiechel - sie ist auch VR-Mitglied - für Aufsehen. Dies mit einem vor Weihnachten verschickten Brief, in welchem sie Verschwörungstheorien verbreitet. Publik gemacht hatte dies vergangene Woche der ehemalige Präsident der Covid-Taskforce, Matthias Egger, in einem Tweet, den er nach kurzer Zeit wieder löschte.
Auf Anfrage hat der Präsident der alternativmedizinischen Privatklinik, Ulf-Torsten Wiechel, das Schreiben «Medinside» zur Verfügung gestellt. Ulf-Torsten Wiechel ist der Ehemann von Chefärztin Wiechel.

«Inszenierte Pandemie»

Die Corona-Pandemie stellt die Ärztin im mit Weihnachtssternen geschmückten Brief als Weltverschwörung dar: «2020 sollten wir als Menschen einer viralen Bedrohung gegenüberstehen, die so nie existiert hat! Sie ist eine politisch inszenierte Pandemie, dessen (sic) Werkzeug heute Covid 19 ist und morgen Covid 21.» Und weiter: «Heute wissen wir um die Ursachen dieser weltweiten Pandemie, doch niemand erklärt Sie uns aufrichtig und offen. Norwegen, als einziges nicht verschuldetes Land, schaut entspannt auf die Welt. Alle anderen Staaten sind hoch finanziell (sic) verschuldet und damit erpressbar geworden. Corona ist das grosse geplante Ablenkungsmanöver im Rahmen eines weltweiten wirtschaftlichen Umbruchs.»
Weiter stellte Wiechel einen Zusammenhang zwischen Covid-Erkrankungen und G5-Mobilfunkstrahlung her.

Kritisch gegenüber schulmedizinischen Krebstherapien

Krebserkrankungen und Corona machten erst die Menschen «zu dem, was sie sind», glaubt Wiechel. Auch die Behandlung von Krebs mit schulmedizinischen Behandlungen stellt sie als fragwürdig dar.
«Zur Natur gibt es keine Alternative», schreibt sie. Und weiter: «Unser Körper (...) allein erkennt Viren, startet ein grandioses Abwehrprogramm. Grundlage: Er kann auf unsere Liebe zu ihm bauen, sich gut durch uns versorgt und beschützt wissen.» Dazu müsse er unter anderem mit den Vitaminen D und C und einer gesunden Ernährung gestärkt werden. 

Klinik hält an Aussagen fest

Bei Corona propagiert Petra Wiechel eine Durchseuchung. Die Verwendung von PCR-Tests zur Erkennung von Covid-Infektionen bezeichnet sie als «wissenschaftlich peinlich» und «kriminell.»
Auf Anfrage schreibt Ulf-Torsten Wiechel, die Klinik teile den «gesamten Inhalt des Weihnachtsbriefes». Dieser dürfe nicht nur auf einzelne Sätze reduziert werden. Doch befürchtet die Klinik nicht negative Folgen für ihren Ruf? Ulf-Torsten Wiechel schreibt dazu folgendes «Wir sind hier im Calancatal nicht auf Rosen gebettet und fühlen uns dem Eid des Hippokrates verpflichtet, den wir 1986 bei der Approbation und 2006 (...) in jeweils würdevollen Zeremonien geschworen haben.»

«Konsequent gegen fehlbare Ärztinnen vorgehen»

Petra Wiechel ist FMH-Mitglied. Sind Ihre Aussagen mit der FMH-Standesordnung zu vereinen? Charlotte Schweizer, Abteilungsleiterin Kommunikation bei der FMH, sagt, die Prüfung eines solchen Falles würde längere Zeit in Anspruch nehmen. «Was ich sagen kann: Es gibt eine gesetzliche Sorgfaltspflicht. Diese steht über der Standesordnung.» Hier seien die Kantone als Aufsichtsbehörde in der Pflicht.
Wenn der Verdacht bestehe, dass eine ärztliche Person diese gesetzlichen Auflagen verletze, müssten kantonale Behörden handeln. «Wir hoffen und wünschen uns, dass die Kantone Gesetzesverstössen konsequent nachgehen und konsequent gegen fehlbare Ärztinnen und Ärzte vorgehen.»

Niemand fühlt sich zuständig

Vom Kanton Graubünden wird die Swiss Mountain Clinic aber wohl trotz der skurrilen und problematischen Aussagen keine Post erhalten. Die Kommunikationsstelle Coronavirus Kanton Graubünden teilt mit, man «stütze die Aussagen selbstverständlich nicht.» Es spreche aber für die Stärke der Schweiz, dass man auch abweichende Meinungen frei äussernd dürfe. Für gesundheitspolizeiliche Aufgaben seien in Graubünden zudem die Gemeinden zuständig.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Balgrist-Team behandelt im Spital Männedorf

Das Spital Männedorf hat eine neue Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Das Team kommt vom Balgrist.

image

Solothurner Spitäler: Bericht zu CEO-Lohn bleibt vorerst geheim

Noch ist unklar, ob Zusatzzahlungen an den Ex-Chef der Solothurner Spitäler rechtens waren. Der Bericht dazu ist da - aber nicht öffentlich.

image

Kispi wegen «Riesenfete» kritisiert – doch die Köche arbeiten gratis

Das überschuldete Kinderspital Zürich feiere seinen Neubau mit einem Michelin-Sternkoch, schreibt ein Online-Medium provokativ.

image

Weitere Umstrukturierung bei Hirslanden – Thomas Bührer in die Konzernleitung

Die Spitalgruppe schafft intern eine neue «Region Mittelland». Damit sollen die Versorgerregionen auch näher an der Konzernleitung sein.

image

«Architektur kann zu Heilung beitragen»

Das neue Kinderspital Zürich wurde heute eingeweiht. Am 2. November nimmt es seinen Betrieb am neuen Standort auf.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.