Psychologe sagt: Amoklauf im Spital liess sich nicht voraussagen

Nach dem tödlichen Amoklauf eines Patienten in Tschechien sorgen sich Spitalangestellte um ihre Sicherheit. Verhindern lassen sich solche Taten offenbar nicht.

, 11. Dezember 2019 um 08:15
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Sechs Menschen hat ein Patient im Wartezimmer der Universitätsklinik Ostrava in Tschechien erschossen und drei weitere verletzt. Er zielte mit einer Pistole aus nächster Nähe auf den Kopf und den Hals seiner Opfer.
Nach der Tat flüchtete der 42-Jährige und erschoss sich selber, als ihn die Polizei stellte. Offenbar war der Täter psychisch gestört. Er glaubte, dass er schwer krank sei und ihn niemand heilen wolle.

Angestellte fühlen sich nicht mehr sicher

Die Universitätsklinik von Ostrava, der drittgrössten Stadt Tschechiens, hat 1200 Betten – etwa 300 mehr als das Berner Inselspital oder die Universitätsklinik Zürich. Viele Mitarbeiter brauchen nach der Tat nun psychologische Betreuung.
«Für die Angestellten ist das Spital ein Ort, an dem sie ein Drittel ihres Lebens verbringen und wo sie sich sicher fühlen», sagte ein Sprecher des Rettungsdienstes im tschechischen Fernsehen CT. Das gelte seit heute nicht mehr.

Wie können Spitäler geschützt werden?

Sofort kam die Frage auf: Wie können Spitäler vor solchen Tätern geschützt werden? Kaum, lautet die Antwort. Denn die Absicherung sogenannter «weicher Ziele», also Orte, die öffentlich zugänglich sein müssen, ist schwierig und teuer. Strenge Kontrollen wie auf dem Flughafen sind in Spitälern schlicht nicht möglich.
Potenzielle Amokläufer müssten also früher erkannt und behandelt werden. Doch auch das ist offenbar sehr schwierig, wie der tschechische Psychologe Daniel Štrobl gegenüber dem tschechischen Online-Portal Novinky.cz sagte.

Fühlte sich der Täter als Opfer der Spitals?

Der Schütze sei vermutlich ein innerlich einsamer Mann gewesen mit dem Gefühl, «Opfer des Systems» zu sein. Er könnte versucht haben, seine Hilflosigkeit mit den Schüssen zu kompensieren. «Einsamkeit treibt die Menschen oft in einen Zustand des sogenannten sozialen Todes», erklärte Štrobl. Das sei ein unerträglicher Zustand.
Möglicherweise habe sich der Täter darum als Opfer der Gesundheitsfürsorge gefühlt, die ihn seiner Meinung nach nicht oder nicht gut behandelte. Aufhalten können hätte man den Täter vermutlich nicht, so das Fazit des Psychologen. Denn niemand hätte voraussagen können, dass der Mann eine solche Tat verüben würde.
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