«Epic soll die Königreiche der Klinikdi­rektoren aufbrechen»

Die Ausschreibung für die neue Digitalisierungs-Software bei der Insel Gruppe ist laut einem Insider offenbar so gestaltet worden, dass nur ein Anbieter infrage gekommen sei.

, 12. Dezember 2019 um 08:40
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Die Insel Gruppe kauft für insgesamt über 90 Millionen Franken neue Softwaresysteme. Der Zuschlag für das umfangreichere Klinikinformations- und Steuerungssystem ging an das US-Unternehmen Epic Systems, wie die Spitalgruppe am Mittwoch mitteilte. 
Die Ausschreibung sei offenbar so gestaltet worden, dass nur Epic infrage gekommen sei. Dies sagt jetzt ein Insider zur «Berner Zeitung». Er will nicht mit Namen genannt werden. Und weiter: Denn nur mit diesem System könnten die Königreiche der Klinikdi­rektoren aufgebrochen werden.

Das Gesamtpaket war ausschlaggebend

«Die Ausschreibung war transparent, WTO-konform und basierte auf den Vorgaben des öffentlichen Beschaffungsrechts des Kantons Bern», sagt Kommunikationsleiter Alex Josty der Zeitung.
Ausschlaggebend für den Zuschlag sei das Gesamtpaket des US-Unternehmens gewesen. Insbesondere die grosse Erfahrung habe die Verantwortlichen überzeugt. Wie viele Offerten eingegangen seien, dürfe Josty allerdings nicht sagen. Das sei in öffentlichen Ausschreibungsverfahren Standard.

Höhere Burn-Out-Quote in Dänemark

Im deutschsprachigen Raum arbeitet bereits das Kantonsspital Luzern (Luks) seit drei Monaten mit der Software. Bislang offenbar ohne grossen Probleme. In Dänemark habe das Programm aber für grosse Unzufriedenheit gesorgt, wie die «Berner Zeitung» recherchiert hat. 
Dort arbeiten seit über drei Jahren 18 Spitäler mit dem System. Epic konnte nicht in das nationale Krankenaktensystem integriert werden, Medikamenten-Bestellungen verschwanden, die Übersetzung aus dem Englischen funktionierte nicht - und  die Burn-out-Quote wuchs, schreibt die Zeitung.

Anfang sei alles andere als einfach

In einer Umfrage gaben 2019 zudem über 60 Prozent der Ärzte an, dass sie «zutiefst unzufrieden» sind mit dem neuen System. Und es gab laut der «Berner Zeitung» sogar eine Petition, sich wieder von Epic zu verabschieden.
Zwar sei der US-Firma Epic bis heute noch jede Einführung ihres Programms gelungen, aber es gebe extreme Geburtsschmerzen, fügt der Insider hinzu. Die ersten zwei Jahre seien alles andere als einfach. Das Berner Inselspital ist das erste Unispital mit diesem System im deutschsprachigen Raum.

Insel Gruppe zeigt sich zuversichtlich

Die Berner Spitalgruppe sei sich gewohnt, solche Projekte zu meistern, sagt Josty der Zeitung. «Ein solches Projekt ist immer ein individueller Weg». Und natürlich werde es Hürden geben. 
Die Verantwortlichen hätten mit mehreren Spitälern Kontakt gehabt und die Vor- und Nachteile von Epic sorgfältig abge­wogen. Aber klar: «Es werden anstrengende Jahre.» Geplant ist, dass das System Mitte 2023 läuft. 
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