Lebensgefährlich, aber niemand will Impfung bezahlen

Erneut sorgt ein Fall eines teuren Medikaments für Schlagzeilen – und auch für Kopfschütteln. Es geht um eine lebensrettende 2'000-Franken-Spritze für ein Kleinkind. Weder Krankenkasse noch die IV wollen diese bezahlen.

, 7. März 2019 um 07:21
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Ein 20 Monate alter Bube aus dem Kanton Bern leidet an einer Verengung im Zugang zur Lunge. Eine Infektion kann für das Kind lebensbedrohlich werden. In den Wintermonaten muss das Kind deshalb monatlich gegen gefährliche Erreger geimpft werden. Mit Synagis, einer Impfung, die pro Spritze knapp 2'000 Franken kostet. Die Visana zahlte den Antikörper gegen das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) ein Jahr lang problemlos.
Doch nun will der Krankenversicherer keine Kostengutsprache mehr erteilen, wie das Konsumentenmagazin «Espresso» berichtet. Und auch die IV blockt ab. Der Grund: Die Impfung wird unter anderem nur für Kinder unter einem Jahr bezahlt. Die Familie muss die monatliche 2'000-Franken-Spritze aus dem eigenen Sack bezahlen.

Impfung gespart, dafür hohe Spitalkosten generiert

Philipp Latzin, Professor und Leiter der Abteilung Kinderlungen-Erkrankungen am Inselspital Bern, hat kein Verständnis für den Entscheid. Es sei in Ordnung, gewisse Leistungen kritisch zu hinterfragen. «In manchen Fällen führt das aber zu einem Verstecken hinter bürokratischen Richtlinien, die im Einzelfall nicht sinnvoll sind.»
Die Hälfte seines Lebens verbrachte das Kleinkind bereits im Spital. Erst vor Kurzem hat sich der Bube mit einer RSV-Infektion angesteckt, kommt auf die Intensivstation. Für Philipp Latzin zeigt es die Absurdität des Entscheids: Krankenkasse und IV haben sich das Geld für die Impfung zwar gespart, aber damit ein Vielfaches an Spitalkosten generiert, sagt er zu SRF.

Weitere Fälle bekannt

Während die IV hart bleibt, will die Visana nun die nächsten beiden Impfungen «aus Kulanz» übernehmen, berichtet das Konsumentenmagazin weiter. Ende gut, alles gut? Nein, spätestens im November steht die Familie aus Bern wieder vor dem gleichen Problem. Am Inselspital Bern ist zudem noch ein anderes Kind mit den gleichen Problemen in Behandlung. 
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