Polymedikation: Grosse Unterschiede zwischen den Heimen

Rund 50’000 Menschen erhalten in den Schweizer Pflegeheimen mehr als 9 Wirkstoffe pro Woche.

, 8. April 2024 um 03:17
image
Smbolbild: Towfiqu Barbhuiya on Unsplash
Das Phänomen kennt man ja: Die Nutzung der Medizin hat je nach Region – oft auch: je nach Sprachregion – einen anderen Charakter. In diese Richtung deuten auch Daten, welche die «Sonntagszeitung» nun aufgearbeitet hat. Dabei geht es um die Polymedikation in Pflegeheimen – wozu das BAG jüngst neue Daten veröffentlicht hat.
Die Erhebung besagt: Im Schnitt erhalten 43 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Heime wöchentlich 9 verschiedene Wirkstoffe oder mehr. Speziell hoch war die Quote im Tessin, in Freiburg sowie in Basel-Stadt und Basel-Land. Auf der anderen Seite gibt es viel weniger Polymedikation in Kantonen wie Glarus, Zug und Appenzell Innerrhoden oder Appenzell Ausserrhoden.
Basis ist die BAG-Studie «Medizinische Qualitätsindikatoren im Bereich der Pflegeheime», welche Daten aus dem Jahr 2021 verarbeitet hat. Der Indikator «Polymedikation» wird dabei definiert als 9 Wirkstoffe oder mehr pro Woche; das BAG selber betont dabei, «dass die Verschreibung der Arzneimittel und Wirkstoffe in die Kompetenz und Verantwortung der Ärzte und nicht des Pflegeheims fällt.»
  • BAG, «Medizinische Qualitätsindikatoren im Bereich der Pflegeheime», Februar 2024.
Tatsächlich sind die Unterschiede von Heim zu Heim sehr gross – sie schwanken zwischen 12 Prozent als tiefstem Wert (Alterszentrum im Geeren in Seuzach) und fast 75 Prozent als Spitzenwert.
Bemerkenswert dabei: Die Anzahl der Angestellten hat kaum einen Einfluss auf die Polymedikation. In Heimen mit viel Pflegepersonal werden nicht weniger Medikamente verschrieben. Tendenziell sei aus den Daten sogar eher das Gegenteil abzulesen, so die SoZ.

Frage der Absprache

Das heisst umgekehrt: Dass bei Personalnot schneller ein Medikament verschrieben wird – dies lässt sich auch nicht ableiten.
Eher schon scheint mangelnde Koordination zwischen Haus- und Heimärzten respektive zwischen den Spezialisten eine wichtige Ursache für (problematische) Polymedikation zu sein. Auf dieses Problem verweist auch Erika Ziltener. In einem Interview im «Sonntagsblick» griff die Patientenschützerin ebenfalls das Thema auf und nannte ein Beispiel: «Ich habe gerade aktuelle Berichte von Fachpersonen zur Überprüfung eines Pflegeheims gelesen. Dort haben alle Bewohnerinnen und Bewohner zehn bis 14 verschiedene Wirkstoffe am Tag bekommen, weil der Heimarzt und die Spezialärztin sich nicht abgesprochen haben. Das muss man sich mal vorstellen.»
  • pflegeheim
  • medikamente
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Nestlé entwickelt Pizzen und Bowls für Semaglutid-Patienten

Eine eigene Marke soll den Nutzern von «Abnehmspritzen» wie Ozempic und Wegovy die entscheidenden Nährstoffe bieten.

image

Auch Roche meldet Erfolg mit «Abnehm-Spritze»

Der Wirkstoff CT-388 zeigt in einer ersten Studie eine raschere Wirkung als ähnliche Produkte – und einen starken Einfluss auf die Blutzucker-Regulation.

image

Auch im Wallis sollen Apotheker freier Medikamente abgeben können

Dabei geht es nicht nur um tiefere Kosten – sondern auch um die Versorgung in Gegenden mit geringer Ärztedichte.

image

Was Verena Nold wirklich sagte

Die Santésuisse-Präsidentin teilt gegen die Politiker aus und unterstützt die Kostenbremse-Initiative.

image

Weniger Originalpräparate, mehr Biosimilars

Der Anteil an Biosimilars liegt bei 50 Prozent. Zu wenig - weshalb nun verschiedene Massnahmen in Kraft treten.

image
Gastbeitrag von Enea Martinelli

Wir verlieren wichtige Medikamente – für immer

Dass es bei Heilmitteln zu Lieferengpässen kommt, ist bekannt. Doch das Problem ist viel ernster. Zwei Beispiele.

Vom gleichen Autor

image

FDA bewilligt weiteres Alzheimer-Medikament

Kisunla brachte bei Patienten im Frühstadium offenbar signifikante Verbesserungen. In den USA wird die Behandlung rund 30'000 Franken pro Jahr kosten.

image

Psychiatrie-Zentrum Engadin / Südbünden zieht ins Spital Samedan

Die heutigen PDGR-Standorte in Samedan und St. Moritz werden aufgelöst.

image

Gesucht: 14'700 Profis für das Gesundheitswesen

In der Schweiz waren in den letzten Monaten etwas weniger Stellen offen als zu Jahresbeginn – sogar im Gesundheitsbereich. Ausnahme: die Ärzte.