Hirslanden-Deal führt zu massiven Preiskämpfen

Derzeit ist viel Bewegung im Schweizer Beschaffungsmarkt für medizinische Materialien und Geräte. Der Grund ist die Einkaufskooperation zwischen Hirslanden und der deutschen Sana Klinik Einkauf.

, 17. Mai 2019 um 09:00
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Weniger Investitionen, Einschnitte beim Personal, Kosteneinsparung. Die Hirslanden Führungscrew muss die Spitalgrupe auf Effizienz trimmen. Insgesamt fast 25 Millionen Franken will Hirslanden einsparen, fünf Millionen Franken alleine bei den Beschaffungskosten.
Dazu gab die Privatklinikgruppe im Winter einen Kooperationsvertrag mit der Sana Klinik Einkauf bekannt. Die Zusammenarbeit mit der deutschen Einkaufskooperation umfasst Medizinprodukte, Verwaltungs- und Wirtschaftsbedarf sowie Investitionsgüter, aber keine Medikamente.

Lob und Tadel für das neue Modell

Die Ankündigung zum neuen Modell wurde im November in der Branche mit geteilter Meinung aufgenommen: Während die einen eher kritisch darauf reagierten, hofften andere dadurch, dass alle Lieferanten ihre «allfällige Hochpreispolitik» für die Schweiz überdenken. Es ist die erste Kooperation eines Schweizer Klinikunternehmens mit einer deutschen Einkaufsorganisation.
Hirslanden geht davon aus, dass diese strategische Einkaufsallianz über die nationale Grenze hinweg eine Signalwirkung für das Schweizer Gesundheitswesen habe. Gewisse Einkaufsgemeinschaften in der Schweiz sind zwar bereits im regen Austausch mit dem Nachbarland, eine engere Kooperation hat sich aber bislang keine ergeben. Schweizer Einkaufsorganisationen könnten auch durch die Volumenbündelung und gezielten Partnerschaften mit auserwählten Lieferanten entsprechende Kosteneinsparungen erwirken, heisst es. Und wo notwendig, setze man auf Parallelimporte.

Sana Klinik diktiert jetzt den Tarif

Nun scheint das Projekt vor dem Hintergrund der neuen Einkaufskooperation zwischen Hirslanden und den Sana Klinik Einkauf (SKE) zu massiven Preiskämpfen zu führen, wie Gespräche mit Branchenkennern zeigen. Die Gesellschaft SKE aus München verlange von den hiesigen Zulieferern und Herstellern offenbar happige Preiszugeständnisse. Diese schliessen die Verträge nun direkt mit der SKE ab. Es gehe derzeit darum, bestehende deutsche Rahmenverträge in der Schweiz zur Anwendung und zur Umsetzung zu bringen.
Teilweise werden die hiesigen Vertriebsorganisationen zu ähnlichen Preisen wie in Deutschland aufgefordert, sagen mehrere voneinander unabhängige Quellen. Und dem Vernehmen nach sind diese Preise zum Teil sogar unter den Schweizer Einkaufspreisen angesetzt. Betroffen davon sind etwa zwei Dutzend Generalvertreter in der Schweiz. Kritisiert werden nicht nur die Preise, die deutschen DRG-Ansätzen gegenüberstehen, sondern auch die Art und Weise der Verhandlungsführung: Die Rede ist von einer «Preisdrückerei», die an Erpressung grenze. Sana Klinik Einkauf besitzt eine grosse Marktmacht, kommt die SKE doch auf ein Beschaf­fungs­volumen von umgerechnet rund 2,6 Milliarden Franken jährlich.

Was SKE zu den Vorwürfen sagt

Konfrontiert mit den Vorwürfen, antwortet Adelheid Jakobs-Schäfer von SKE, dass das Klinikgeschäft zwei Seiten habe. Komplementär zum Vertrieb der Industrie arbeite der Klinikeinkauf an der gleichen Aufgabe: Das bestmögliche Verhandeln um gute Produkte und ihre Konditionen.
Dass die Gesundheitsmärkte Schweiz und Deutschland bei Medizinprodukten ein unterschiedliches Preisniveau aufweisen, ist sich Sana Klinik Einkauf bewusst. Gemeinsam mit den Kooperationskliniken und Geschäftspartnern der Industrie erarbeite SKE jetzt Konditionenmodelle für die Schweiz. Diese orientieren sich «fair und transparent an Qualität, Verbindlichkeit und Menge», wie die Generalbevollmächtigte Einkauf & Logistik der Sana-Kliniken-Tochter zu Medinside sagt.

Neue Preismodelle: Einschätzung von Christian Heeb von Geblog

Für Christian Heeb, Geschäftsführer der Einkaufsgemeinschaft Geblog (Gesundheitswesen Beschaffung und Logistik), stehen bei solchen neuen Formen von Einkaufskooperationen vor allem zwei Fragen im Vordergrund: Erstens, wer die entsprechende Betreuung der Anwender wie etwa Spitäler weiter sicherstellt. Diese Beratung wird laut Heeb in verschiedenen Produktgruppen immer noch aktiv von den Spitälern genutzt und auch erwartet. Das Geschäft bedinge eine sehr enge Kommunikation mit den betroffenen Anwendern. Inwieweit sich dies über eine Landesgrenze hinweg realisieren lasse, werde sich zeigen müssen.
Und zweitens stelle sich die Frage nach der Versorgungs- oder Produktschulungsqualität, wenn nationale Vertriebsorganisationen die Bereitschaft haben, deutsche Artikelpreise zu übernehmen beziehungsweise weiterzugeben. «Es wird spannend zu sehen, inwieweit die Qualität, Verfügbarkeiten oder die Organisation von Vigilance-Vorfällen unter diesen neuen Rahmenbedingungen auf gleichem Niveau gehalten werden könne», erklärt Heeb von der Gesellschaft Geblog, die für über 30 Spitäler in mehr als zehn deutsch-schweizerischen Kantonen strategisch einkauft.

Standardisierung beziehungsweise Lieferantenharmonisierung

Auch ob solche neuen Formen von Einkaufsallianzen zu den erhofften nachhaltigen Kostensenkungen führen werde – dies unter Beibehaltung der heutigen Versorgungsqualität innerhalb der Supply Chain – werde die Zukunft weisen müssen. Geblog zum Beispiel will aktuell an der Standardisierungen in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen beziehungsweise beteiligten Anwendern sowie den Schweizer Distributoren und Herstellern weiterhin festhalten.
Andere Einkaufsgemeinschaften sagen, es sei nicht auszuschliessen, dass weitere Einkaufskooperationen einen ähnlichen Weg suchen, um die Beschaffungskosten zu senken.
Für Heeb ist die Grundlage eines effizienten Einkaufsverbundes die permanente Anstrengung, in den verschiedenen Produktgruppen eine Standardisierung beziehungsweise Lieferantenharmonisierung herbei zu führen. Dies könne aus Geblog-Sicht nur im Einbezug der Anwender der betroffenen Produktgruppen erfolgen – um auch die qualitative Beurteilung der zu standardisierenden Produktgruppen zu gewährleisten.
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