E-Patientendossier: «Ärzte und Apotheker müssen nicht um den Patienten streiten»

Was bringt das elektronische Patientendossier für die Praxis? Darüber debattierten die Experten am Swiss eHealth Forum. Geredet wurde dabei nicht nur über Kosten oder einen «millionenschweren Fax-Ersatz», sondern auch über Teamgeist.

, 11. März 2016 um 07:00
image
  • e-health
  • elektronisches patientendossier
  • trends
In einem Punkt waren sich die sechs Teilnehmer der Podiumsdiskussion am Swiss eHealth Forum weitgehend einig: Der Patientennutzen muss beim elektronischen Patientendossier (EPD) im Vordergrund stehen.
Marcel Meslin, Generalsekretär von Pharmasuisse, appellierte in einem Statement an den «Teamgeist». Der Apotheker sprach damit indirekt das bekannte Konkurrenzverhältnis zwischen Arzt und Apotheker an.

«Das braucht Zeit»

«Wir müssen im Team arbeiten», so Meslin: Das sei wichtiger als Informatik. «Wir müssen uns helfen, nicht gegenseitig bekämpfen oder um den Patienten streiten.» Diese «Art gemeinsamer Vertrag für die Behandlung» erhöhe das Vertrauen des Patienten und die Qualität der Beratung, so Meslin weiter.
Um das EPD umzusetzen, bis es funktioniere, müsse man jetzt Teamgeist entwickeln, erklärte der Pharmasuisse-Generalsekretär unter Beifall der rund 300 anwesenden Teilnehmer. «Das braucht Zeit.» Und das könne man nicht erzwingen.

«Gemeinschaften über Kantonsgrenzen»

Für Samuel Eglin, Präsident Verein Trägerschaft ZAD, hat das elektronische Patientendossiergesetz eine wesentliche Schwäche: «Alle schauen auf kantonale Gemeinschaften. Aber eigentlich müsste man sich an Versorgungsregionen orientieren».
Man habe jetzt 100 Prozent der Kosten und noch keinen Nutzen. Das Problem ist dabei: Wer soll das bezahlen, wer bezahlt eine Anschubfinanzierung für solche offenen Systeme? «Vor dieser Herausforderung stehen wir», so Eglin. Das sei das Dilemma der EPD-Gemeinschaften.

«Wir arbeiten in einem System das funktioniert»

Für Falk Schimmann, Leiter Medizinstrategie der Insel Gruppe, ist das Projekt EPD nicht ambitioniert genug. Spricht er mit Ärzten, dann heisst es: «Wir brauchen keinen Fax-Ersatz». Der Fax funktioniere, sei etabliert und vertraut. Ärzte brauchten keinen millionenschweren Fax-Ersatz, nur um gewisse Mängel zu verbessern oder das System schneller oder besser zu machen, sagte Schimmann.
Deshalb erstaunte ihn auch die Aussage der kurz davor präsentierten gfs-Umfrage. Dort sagen 82 Prozent der Spitalärzte grundsätzlich Ja zum ePatientendossier. Er erlebe dies aber nicht so. Ihn würden darum die Untergruppen bei den Spitalärzten interessieren. «Koordinierte und integrierte Versorgung – das machen wir ja schon», antworteten die Ärzte Schimmann zufolge.
Es sei aber klar, dass der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Behandelnden immense Bedeutung habe, weil die Therapien immer fragmentierter werden. Das werde sich noch verstärken. Wichtig sei beim EPD zudem die Frage, «wie wir damit die Medizin neu denken können», so die Perspektive des Mediziners und Insel-Vertreters.

«Mehr Informationsbedarf nach aussen – und innen»

Dass sich die Medizin immer mehr spezialisiere, bestätigte auch Andreas Schoepke, Bereichsleiter IT-Management bei der Firma Argomed Ärzte aus Lenzburg.
Er stellte gleich zu Beginn seines Statements klar: Die «Punkt-zu-Punkt-Kommunikation» habe ausgedient. Plattformen-Kommunikation sei deshalb unheimlich wichtig  – insbesondere eine Medikationsplattform.
Als Vertreter der Leistungserbringer erwähnte er zudem, dass Grundversorgerpraxen bereits gut integriert und vernetzt mit Fachärzten seien.
Der Informationsbedarf einer Praxis nimmt laut Schoepke aber nicht nur nach aussen zu, sondern auch nach innen. Als Gründe nannte er: Gruppenpraxis, Teilzeitjobs – und dass die Medizin der Zukunft weiblich sei.

An der Diskussion nahmen teil (Bild von links nach rechts):

  • Erika Ziltener, Präsidentin Schweizerische Patientenstellen
  • Marcel Meslin, Generalsekretär PharmaSuisse
  • Samuel Eglin, Präsident Verein Trägerschaft ZAD
  • Falk Schimmann, Leiter Medizinstrategie Inselspital und Spital Netz Bern 
  • Hansjörg Looser, Präsident IHE Suisse
  • Andreas Schoepke, Bereichsleitung IT-Management, Argomed Ärzte

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Das «Time Magazine» ehrt noch einen Schweizer

Fidel Strub verlor seine rechte Gesichtshälfte an die Tropenkrankheit Noma. Seit Jahren kämpft er für deren Erforschung.

image

Die Schweiz hat einen weiteren Gesundheits-Hub

Mit an Bord ist auch das Kantonsspital St. Gallen. Entstehen sollen neue Produkte vor allem in den Bereichen Wearables, Gesundheitsmonitoring und Prävention.

image

Schneller gegen Schlaganfall: KSA und ETH entwickeln magnetischen OP-Roboter

Mit der neuen Technologie soll das Eingriffs-Tempo deutlich erhöht werden.

image

Luzern: Ende des Ärzte- und Pflegemangels in Sicht?

Im vergangenen Jahr wurden 10 Prozent mehr Bewilligungen für Gesundheitsberufe erteilt.

image

Erfolg für Jungunternehmen im Biotech- und Medtech-Bereich

Viele Start-Up-Unternehmen hatten letztes Jahr grosse Mühe, Investoren zu finden. Biotech und Medtech gehörten aber zu den Gewinnern.

image

Die Menschen fühlen sich so gesund wie vor Corona

Die Covid-Turbulenzen konnten der gesundheitlichen Selbstsicherheit von Herrn und Frau Schweizer wenig anhaben: Dies besagen neue Daten.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.